Aldebaran
»Amina« darauf und reichte sie Giovanni. Sie sahen sich an. »Danke«, sagte Diamantis. Ob die Nachricht wirklich zu Amina durchdringen würde? Sicher war, dass Giovanni sie an den Mann im Jackett weitergeben würde und dass dieser keine Hemmungen haben würde, sie zu lesen. Plötzlich bereute er, »dich um Verzeihung bitten« geschrieben zu haben. Aber jetzt war es zu spät. Zweifellos war es auch zu spät, Amina um Verzeihung zu bitten. Er wollte sie wieder finden. Alles versuchen. Ihr alles erklären.
Was erklären? Wie oft war er diese Szene schon durchgegangen. Hunderte von Malen, wenn nicht tausende. Jahrelang. Er hatte ihr geschrieben, sie schließlich aus Barcelona angerufen, um ihr mitzuteilen, an welchem Tag die Stainless Glory aus Marseille auslief. Entgegen seinen Erwartungen dauerte der Aufenthalt nur eine Nacht. Der Frachter fuhr leer Richtung Genua. Jede Stunde zählte. Sie wollte nicht eine verlieren, hatte sie gesagt.
Sie schlug vor, am Hafen auf ihn zu warten. Er zog die Bar du Cap am Kai von La Joliette vor. Zwischen acht und neun. Weil er noch nicht wusste, wann er frei sein würde. Ein Wagen brachte ihn bis zu Tor 53, von dort ging er auf dem schlecht beleuchteten Hafengelände zu Fuß weiter. Es war zehn nach acht, und auf der ganzen Erde gab es an jenem Abend keinen glücklicheren Menschen als ihn.
An der Ecke eines Gebäudes warteten drei Männer auf ihn. Drei kräftige Männer. Zwei von ihnen packten ihn unter den Armen und zerrten ihn in einen Lagerschuppen. Kaum waren sie drinnen, schlug der Dritte zu. Zweimal in den Bauch. Er krümmte sich vor Schmerz. Mit der Linken zwang der Mann ihn aufzusehen und verpasste ihm noch eine. Und zwei weitere Hiebe in den Bauch. Er schnappte nach Luft. Und er hatte Angst. Seine Blase gab nach. Er fühlte, wie heiße Pisse seinen Slip und das Leinen der Hose durchnässte und schließlich an seinen Beinen herunterlief. Tränen rannen. Angst und Wut. Erniedrigung.
Der Kerl hörte auf zu schlagen.
»Jetzt plärrt er, das kleine Arschloch«, grinste er. Er hielt Diamantis eine Knarre unter die Nase. Einen großen, schwarzen Ballermann. »Siehst du das, du Jammerlappen. Siehst du«, wiederholte er und packte Diamantis mit der linken Hand an den Haaren, sodass er hoch sehen musste. »Wenn du das Pech haben solltest, noch einmal in Aminas Nähe zu kommen, schieß ich dir damit deine süße Fresse kaputt.«
Er zog Diamantis an den Haaren, damit er den Kopf höher hob. »Sie und ich, wir sind so gut wie verlobt, geht das in deinen dämlichen Schädel?«
Am Telefon hatte sie gesagt: »Ich liebe dich.« Und dann: »Du fehlst mir.« Und dann noch: »Ich hab es eilig.« Diese letzten Worte hatte sie gehaucht, fast heiser, heiß, sanft wie ihre Hände, ihre Lippen. Als er aufgelegt hatte, hatte er eine Erektion. »Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich …« In seinem Kopf klangen nur noch diese Worte.
»Hast du kapiert? Du durchkreuzt meine Pläne nicht!«
Amina. Wer waren diese Männer? Dieser Typ? Wartete sie in der Bar du Cap auf ihn? Hatte der Kerl sie auch geschlagen? Sowie sie ihn losließen, würde er in die Bar stürzen. Das hatte er sich geschworen, ungeachtet der Schmerzen, die durch seinen Körper fluteten.
Der Typ entsicherte die Waffe und zwängte ihm den Lauf in den Mund. Der Stahl war kalt. Er fröstelte. Gleich würde er in die Hosen scheißen. In seinem Bauch grummelte es. Nein, nur das nicht. Aber er konnte sich nicht beherrschen. Nichts zu machen. Die flüssige Scheiße rann ihm zwischen die Beine.
»Lutsch das«, forderte der Typ ihn auf. »Lutsch es gut. Das ist der Tod. Schmeckst du ihn? Also, vergiss das nicht, bevor du irgendwas unternimmst. Du siehst, du kleines Arschloch, wir wussten, wo wir dich finden. Wir werden dich wieder finden.« Er zog die Knarre zurück und sicherte sie wieder. Die kräftigen Arme ließen Diamantis los. Er landete mit dem Hintern auf der Erde, voller Kot.
»Ich glaube, er hat sich voll geschissen«, bemerkte einer von ihnen grinsend zu dem Mann mit der Knarre.
»Das würde mich nicht wundern«, antwortete der. »Hier stinkt es übler als im Scheißhaus.«
»Da hast du ihr ja was zu erzählen«, hörte er einen von ihnen sagen, als sie sich entfernten.
Darüber hatten sie gelacht. Diamantis hörte ein Auto abfahren. Er rührte sich nicht. Er blieb dort. Einen Teil der Nacht. Den Arsch in der Scheiße, in Pisse gebadet. Schluchzend.
Ja, er würde ihr das alles erklären müssen. Diese
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