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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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sie verblüffte. Als hätte er ihre Ängste erraten, sagte er: »Janie, ich verspreche, ich werde nicht schlecht von Ihnen denken. Aber ich möchte wirklich wissen, was Ihnen zugestoßen ist.«
    Ihre Unterlippe zitterte, und sie senkte den Blick.
    »Es ist gut«, sagte er beruhigend. »Bei mir sind Sie sicher.«
    Um den gelösten Zustand zu erreichen, in dem Hemmungen schwinden, leerte sie ihr Glas. Nach einem kleinen, zarten Schluckauf sagte sie leise: »Fünfundvierzig Jahre alt, und es macht mir immer noch angst.«
    Er lächelte. »Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    Sie erwiderte das Lächeln, aber nur zögernd. »Also gut.« Sehr vorsichtig sagte sie dann: »Die Geschichte fängt gut an, aber gegen Ende wird sie häßlich.«
    »Ich verstehe. Aber ich würde sie trotzdem gern hören, wenn Sie bereit sind, sie zu erzählen.«
    Sie sprach langsam und bedächtig, als sei die Geschichte, die sie erzählte, zerbrechlich, obwohl sie wußte, daß die wirkliche Zerbrechlichkeit in ihr selbst lag. Der Wein ließ ihre Worte ein wenig zögernd klingen. »Nach meiner Assistenzzeit heiratete ich einen Mann namens Harry Crowe. Harry war Kinderarzt. Wir hatten ein sehr schönes Leben, Harry und ich ... ein behütetes Leben. Alles war richtig. Alles. Ich pflegte mich jeden Morgen zu kneifen und zu denken: >Was habe ich für ein wunderbar geordnetes Leben.< Ungefähr so, wie sie Ihr Leben schildern. Zufrieden, wissen Sie? Erfüllt.«
    Sie hielt inne und streckte die Hand aus, um sich Wein nachzuschenken, aber Bruce nahm ihr die Flasche ab und sagte: »Lassen Sie mich das machen.« Dann goß er ein wenig in ihr Glas und sagte: »Sprechen Sie weiter.«
    Sie konnte spüren, wie sie in die alte, vertraute Melancholie fiel, aber sie machte weiter, da sie wußte, Bruce würde erst zufrieden sein, wenn die Geschichte zu Ende war. »In den Reagan-Jahren kauften wir Aktien und verkauften unmittelbar vor dem Crash. Wir kauften unser Haus, bevor die Preise in den Himmel wuchsen, und behielten es, bis sie sich wieder stabilisiert hatten. Anfang der neunziger Jahre investierten wir in Technologiefonds. Wir liebten beide unsere Arbeit. Unsere Tochter besuchte wunderbare Privatschulen und entwickelte sich prächtig; sie hatte Musikstunden und trieb Sport ...«
    Bruce beobachtete sie aufmerksam, während das Drama sich entfaltete; als sie sichtlich um Fassung ringen mußte, nahm er ihre Hand. Er spürte, wie sie sich dabei anspannte. »Sprechen Sie weiter, Janie.«
    Sie atmete einmal schnell ein und ließ dann den Schmerz zu. »Eines Morgens sah ich sie zusammen weggehen; normalerweise wäre ich an der Reihe gewesen, Betsy zur Schule zu fahren, aber Harry hatte an dem Tag ein Seminar an der Uni, und die Schule lag auf seinem Weg. Ich hatte an diesem Tag Bereitschaft und mußte nirgends hin. Um acht Uhr morgens war ich noch im Pyjama. In Ärztekreisen hörte man gerade die ersten Berichte über Epidemien; die Gesundheitsbehörde hatte bereits ein Bulletin herausgegeben, aber die Medien hatten es nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Also war die Schulbehörde nicht gewarnt. Nun, am Vortag hatte eine der Mitarbeiterinnen der Schul- cafeteria über Magenschmerzen und Fieber geklagt und war nach Hause gegangen. Bevor sie ging, hatte sie noch die Pausensnacks für den nächsten Tag hergerichtet.
    Um zwei Uhr fühlten sich alle Kinder, die davon gegessen hatten, krank. Da war die Mitarbeiterin der Cafeteria schon gestorben. Als sie zum Notarzt ging, hatte einer der Ärzte gerade das Bulletin der Behörde gelesen und inzwischen festgestellt, wo sie arbeitete. Er rief das Gesundheitsministerium an und ließ die Schule unter Quarantäne stellen.
    Am späten Vormittag war ich zu einem Notfall gerufen worden, also hatte ich Harry bereits angerufen und ihn gebeten, Betsy am Nachmittag von der Schule abzuholen. Als er hinkam, war die Quarantäne bereits verhängt, aber irgendwie kam er hinein, wahrscheinlich, indem er sagte, daß er Kinderarzt war. Wenn ich einer von den Polizisten gewesen wäre, hätte ich ihn vermutlich auch hereingelassen. Von den vierhundert Leuten, die in dieser Schule unter Quarantäne gestellt wurden, infizierten sich dreihundertsechsundfünfzig. Dreihundertzweiundvierzig starben. Harry und Betsy gehörten nicht zu denen, die Glück hatten. Alle Leichen wurden zur Sektion beschlagnahmt. Ich habe beide nie wiedergesehen. Nach einer Woche wurden sie verbrannt.«
    »Oh, Janie, mein Gott, wie schrecklich ... Es tut mir so leid

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