Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
schlohweißem Haar unter einer dunklen Mütze. Er hieß Alejandro mit einer einladenden Geste in seinem Haus willkommen. Alejandro nahm seinen Hut ab und fragte: »Habt Ihr eine Kammer für einen müden Reisenden? Ich bleibe nur eine Nacht.«
Der Wirt nickte und rief nach seiner Tochter, die sogleich aus der Küche herbeieilte. Sie trocknete sich die Hände an einer schmutzigen braunen Schürze ab, die vermutlich irgendwann einmal weiß gewesen war.
Alejandro fragte sich, ob sie sie in der Themse gewaschen hatte.
»Richte die vordere Kammer her«, sagte der Wirt. Das Mädchen, ebenso mager wie sein Vater, machte einen raschen Knicks und eilte davon.
»Einen Krug Bier gegen den Durst?«, fragte der Wirt.
»Aye, und eine Schüssel Haferbrei, wenn Ihr welchen habt.«
»Ich habe eine schöne Lammkeule, erst gestern gebraten.«
»Dann das«, sagte Alejandro.
Er setzte sich, und während er wartete, dass man ihm das Essen brachte, dachte er daran, welche Wohltat es sein würde,
die Stiefel auszuziehen, sobald er oben in der Kammer wäre. Seine Füße waren geschwollen und wund, Luft und Licht würden ihnen nach solch langer Gefangenschaft guttun.
In der Ferne vernahm er das Geräusch von Hufschlägen. Sie wurden immer lauter, und gleich darauf kam der Wirt aus der Küche und lief ans Fenster. Inzwischen war der Lärm geradezu ohrenbetäubend, und das ganze Haus bebte, als ein Trupp Soldaten vorbeigaloppierte. Im Schrank klirrten die Gläser, und der Wirt hielt ihn links und rechts fest, in der Hoffnung, dass es aufhören würde. Es hielt jedoch an, bis die Kavalkade endlich vorbei war.
Der Wirt wischte sich über die Stirn und wandte sich vom Fenster ab. »Dieses Mal ist wenigstens nichts zerbrochen, Gott sei gedankt«, sagte er nervös.
Es war für Alejandro eine gute Gelegenheit, von den Befürchtungen zu sprechen, die sich in ihm geregt hatten. »Unter den Soldaten des Königs scheint große Geschäftigkeit zu herrschen«, sagte er. »Ich war lange auf Reisen; sagt, steht ein Krieg bevor?«
»Kein Krieg«, erwiderte der Wirt, »viel schlimmer, eine Hochzeit! Prinzessin Isabella wird sich verehelichen, Gott steh ihrem Bräutigam bei! Am Abend vor dem ersten Maitag findet in Windsor ein Maskenfest statt, und die ganze Welt steht kopf, um sich darauf vorzubereiten.«
Der Mann trat erneut ans Fenster und sah hinaus. Seine Bewegungen waren hastig und angespannt und ließen seine Beunruhigung erkennen. »Dennoch erscheint der Aufwand tatsächlich ein wenig groß.«
Dann ging er in die Küche und kehrte mit einem Krug und einem Teller zurück. Alejandro aß und trank und genoss es, zum ersten Mal seit seiner Abreise aus Paris wieder bequem zu sitzen. Er bezahlte den Wirt für seine Verpflegung und die seines Pferdes, und dann zeigte ihm die Wirtstochter den Weg die Treppe hinauf in eine kleine Kammer, die auf die Straße hinausging. In einer Ecke stand ein leerer Zuber.
»Ich will ein Bad nehmen«, sagte Alejandro. Er zog eine weitere Münze hervor und reichte sie dem Mädchen. Dieses sah ihn neugierig an, steckte sie jedoch ein. Sie knickste erneut und ging, um Wasser zu erwärmen.
Alejandro zog einen kleinen Stuhl ans Fenster und setzte sich, um zu beobachten, was unten auf der Straße vor sich ging, während er auf das Wasser wartete. London war eine aufstrebende Stadt, Paris nicht unähnlich - immer noch von Menschenmassen bevölkert, obwohl die Pest wenige Jahre zuvor die Hälfte der Einwohner dahingerafft hatte. Er sah viele Kinder; die Natur vollbrachte ihr eigenes Wunder und füllte die Lücken, die die Krankheit hinterlassen hatte.
Kaufleute, beladen mit Körben und Bündeln, eilten vorbei; eine Frau zog einen Knaben an der Hand hinter sich her und drehte sich beim Vorübergehen an der Taverne ein paarmal um, um ihn zu schelten. Ein einsamer Soldat mit aufgestellter Lanze ritt vorüber.
Das Mädchen kam mit dem ersten Eimer Wasser zurück. Alejandro drehte sich um und sah den Dampf aus dem Zuber aufsteigen, und er dachte, wie wunderbar es sein würde, sich gleich der wohltuenden Wärme des Wassers zu überlassen. Als er sich wieder dem Fenster zuwandte, zog etwas in einiger Entfernung im Westen seine Aufmerksamkeit auf sich: ein heller roter Tupfen in einem Meer aus Braun und Grau. Er sah genauer hin und erkannte, dass es eine Frau mit einem roten Tuch war, und aus der Art, wie sie sich auf und ab bewegte, schloss er, dass sie auf einem Esel saß und nicht auf einem Pferd. Rasch erhob er sich und
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