Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
beugte sich aus dem Fenster, um besser sehen zu können, aber in diesem Moment war die Gestalt bereits wieder verschwunden. Er kniff kurz die Augen zusammen und öffnete sie wieder, doch so sehr er sich auch anstrengte - es war nichts mehr von ihr zu sehen.
18
Janie hörte ein Weinen.
Ein Weinen, das sie kannte.
O Gott … »Alex?«
Sie sprang hinter dem Baum hervor und lief zu der Stelle, an der er auf dem Pfad zusammengebrochen war. Dort ließ sie sich neben ihm auf die Knie fallen und zog ihn in die Arme. »Alex, o Gott, was ist denn passiert? Wo ist dein Vater?«
»Dad - ist runtergefallen«, brachte er mühsam hervor.
»Aber wo ist er?«
»Noch da unten«, keuchte er, »bei den anderen.«
»Warum bist du dann … wie …?«
»James ist auch verletzt. Lany passt auf die beiden auf.«
Als sie das hörte, stieg sofort Wut in ihr auf - Wut darüber, dass diese Frau einen kleinen Jungen hinaus in die Dunkelheit geschickt hatte.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Alex schnell: »Sie wollte nicht, dass ich gehe. Ich bin weggelaufen.«
»Wie schlimm, also, er ist nicht …?«
Seine Stimme klang schwach und verzagt. »Daddy lebt«, sagte er, »aber sein Bein ist verletzt.«
»War er wach, als du weg bist?«
»Nein.«
Bewusstlos nach einem Sturz, das war eine sehr schlechte Nachricht. »Was ist mit James?«
Alex stützte sich auf einen Ellbogen. »Er hat sich geschnitten. Dieser Kasten ist auf seine Hand gefallen. Er hat furchtbar geblutet.«
Janie half ihrem Sohn auf die Beine. »Kannst du gehen?«, fragte sie.
Er machte ein paar Schritte und strauchelte.
Janie ging vor ihm in die Hocke. Sie griff über ihre Schultern und sagte: »Nimm meine Hände. Ich trage dich Huckepack.«
Alex tat, wie ihm geheißen, und seine Mutter zog ihn hoch. Als sie sich eilig auf den Weg zum Haus machte, sackte er gegen ihren Rücken und fiel in einen tiefen, erschöpften Schlaf.
Lany ging so lange weiter, wie es die Lichtverhältnisse und ihre Kräfte erlaubten. Schließlich kam sie an eine einigermaßen ebene Stelle, die sie mit Laub bedeckte, damit der Boden nicht ganz so hart war. Sie breitete eine der Decken aus - Tom lag auf den zusammengefalteten Zelten - und legte sie so zurecht, dass sie alle halbwegs geschützt waren.
»Komm, Cowboy«, sagte sie und half dem dahindämmernden James aus dem Sattel. »Das kann doch nicht bequem sein.«
Es ging beinahe über die Kräfte der kleinen Frau, aber sie schaffte es, James heil zu der Decke zu schleppen, wo sie ihm half, sich zu setzen. Stöhnend ließ er sich nieder, dann nickte er zu Tom: »Wie geht es ihm?«
»Ich weiß es nicht. Ich wollte mich erst einmal um dich kümmern, bevor ich ihn mir ansehe. Aber ich glaube, es geht ihm nicht gut. Er scheint vor Schmerzen ohnmächtig geworden zu sein.«
Sie trat zu der Trage und kniete sich neben Tom. Sein Gesicht war verdreckt, und sie wischte die Laubreste und Erdkrumen weg und entfernte auch die Mücken und kleinen Käfer, die an seinen Nasenlöchern und in den Mundwinkeln klebten.
»Tom?«, fragte sie leise.
Er antwortete nicht.
»Kannst du mich hören?«
Immer noch nichts. Aber sie redete weiter, überzeugt, dass er sie hörte.
»Wir werden die Nacht über hierbleiben müssen«, sagte sie. »Ich mache ein Feuer für uns.« Sie zog ihm die Decke bis zum Hals hoch und sprach immer weiter, weil sie hoffte, ihn damit ein wenig zu beruhigen. »Ich schätze mal, es wird ziemlich kalt in der Nacht, deshalb decke ich dich besser richtig zu.«
Er bewegte sich und murmelte: »Alex …«
Lany fragte sich, ob er mitbekommen hatte, dass sein Sohn weggelaufen war. Sie legte eine Hand auf seinen Arm und drückte ihn. »Es geht ihm gut«, sagte sie. Sie erhob sich und schickte leise ein Stoßgebet gen Himmel. Vielleicht gab es dort jemanden, der es erhörte und dafür sorgte, dass es Alex tatsächlich gut ging.
Das Feuer knisterte friedlich, aber Lany fand keinen Schlaf. Sie war die Einzige, die imstande war, ihre kleine Lagerstatt zu verteidigen, falls sich die Notwendigkeit ergab. Bevor sie sich hingelegt hatte, hatte sie am Rand der Lichtung rote Augen entdeckt, klein und eng beieinanderstehend, vermutlich ein neugieriger Waschbär oder ein Frettchen. Sie hoffte, dass es kein Fischermarder war. Die waren im günstigsten Fall unberechenbar, im Zustand der Erregung aber regelrecht bösartig.
Neun Stunden, bis die Sonne aufgehen würde - eine halbe Ewigkeit.
Janie und Evan standen auf dem Pfad und starrten in
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