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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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beruhigende Gefühl heimzukehren. Er kannte dieses Haus gut, wusste um seine Geheimnisse und um die Orte, an denen geflüsterte Worte unbelauscht blieben. Er sah hinauf zum Dachfirst und erblickte das kleine Fenster, hinter dem die Kammer
lag, in der er vor acht Jahren einige Zeit zugebracht hatte. Er erinnerte sich noch ganz genau an jedes Dielenbrett und jeden Winkel des kleinen Gemachs.
    In der Halle herrschte ein emsiges Hin und Her; das Gesinde eilte herbei, um den Reisenden mit ihrem Gepäck behilflich zu sein und ihnen die tropfnassen Umhänge abzunehmen. Unter den Bediensteten gab es nur noch einen, den er von früher kannte, einen alten Mann namens Jean, der ihm damals aufgewartet hatte. Alejandro sprach ihn nicht an, als er die Halle betrat, sah jedoch in den Augen des Mannes Wiedererkennen aufblitzen.
    Auf dem Weg die schmale Treppe hinauf erneuerte Alejandro seine Bekanntschaft mit ihm. »Ich beglückwünsche dich«, sagte er, »zu einem bemerkenswert langen und gesunden Leben.«
    Jean drehte sich steif zu ihm um und lächelte. »Ich habe auf Eure Rückkehr gewartet, Herr, und sorgsam all jene Regeln befolgt, die Ihr mir für eine angemessene Lebensweise nanntet. Eines Tages werde ich glücklich sterben!«
    »Nicht wegen meiner Rückkehr, hoffe ich.«
    Als sie oben angelangt waren, deutete er auf den Knaben und sagte: »Ich möchte dir meinen Enkel vorstellen: Guillaume.«
    Jean verbeugte sich vor Guillaume und sagte ehrerbietig: »Willkommen, junger Herr, im Maison de Chauliac.«
    Guillaume schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte, deshalb dankte er Jean und verbeugte sich ebenfalls, wobei er sich bemühte, ihn so gut wie möglich nachzuahmen. Damit brachte er den alten Mann zum Lachen.
    »Wir beide werden gut miteinander auskommen. Nun lasst mich Euch zeigen, wo Ihr untergebracht seid.«
    Er öffnete die Tür zu derselben Kammer, in der Alejandro acht Jahre zuvor die Zeit seiner Gefangenschaft in Paris verbracht hatte. Das Bett stand noch an derselben Stelle neben dem Fenster, aber der Waschtisch und der Stuhl waren entfernt
worden, um Platz für ein gepolstertes Lager auf dem Boden zu schaffen.
    Jean stellte ihr Gepäck in einer der Ecken ab. »Falls Ihr irgendetwas benötigt, dann braucht Ihr nur die Glocke zu betätigen.«
    Alejandro bedankte sich, und der Alte ging.
    Er drehte sich um und sah, dass Guillaume am Fenster stand und das geschäftige Treiben unten auf der Straße beobachtete.
    »So viele Leute, Grand-père.«
    »Ja, Guillaume«, sagte er. Er kniete sich neben den Knaben und sah mit ihm gemeinsam aus dem Fenster. Männer hoch zu Ross ritten vorbei, und Studenten mit wehenden Talaren eilten zur Universität. Sie erblickten einige Soldaten aus ihrer Eskorte, die sich außerhalb des Hofs die Beine vertraten. Es war ein ganz gewöhnlicher Tag im Leben von Paris, nicht mehr und nicht weniger. Aber es war faszinierend.
    Während Alejandro durch die wellige Glasscheibe nach draußen sah, ließ er seine Gedanken zu dem Tag vor acht Jahren zurückschweifen, an dem Kate und Guillaume Karle unten auf der Straße gestanden und ihm eine um einen Stein gewickelte Botschaft zugeworfen hatten. Das war der erste Schritt zu seiner Befreiung gewesen, und es war auch der Augenblick gewesen, in dem er erkannt hatte, wie viel Zuneigung sie füreinander hegten.
    Es hätte mich nicht überraschen sollen. Sie waren verwandte Seelen, beide klug und entschlossen, schön und wohlgestalt. Er dachte an die verwandte Seele, der er auf dieser Reise begegnet war, und wunderte sich darüber, wie oft solche Dinge allein einer glücklichen Fügung zu verdanken waren.
    Nein, es hätte mich nicht überraschen sollen. Genauso wenig wie jetzt.
    Er merkte, dass an seinem Ärmel gezupft wurde, und sah zu Guillaume.
    »Grand-père, geht es Euch gut?«

    Das Bild von Kate und ihrem Liebsten verschwand. »Ja, Guillaume.«
    Die Stimme des Knaben klang besorgt. »Gewiss?«
    »Ja, mein Kind, aber warum fragst du?
    »Nun ja, es ist nur, weil … weil Ihr weint.«

10
    Drei Männer kamen in das Bibliothekszimmer; zwei von ihnen kannte er schon. Automatisch erhob sich Michael und trat ihnen entgegen.
    Der Südstaatler - Anfang fünfzig, kariertes Flanellhemd mit Flicken an den Ellbogen, akkurater Haarschnitt und leicht ergraute Schläfen - schien der Anführer der Gruppe zu sein. Ihm zur Seite stand der Junge, der vor seinem Fenster Wache geschoben hatte. Der junge Mann war groß und muskulös, seine Wangen waren rosig, die Haare

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