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Aleph

Aleph

Titel: Aleph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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vergessen kann, was geschehen war.
    »Vom großen Aleph spricht man, wenn zwei oder mehr Menschen, die einander eng verbunden sind, sich zufällig im kleinen Aleph treffen. Die beiden unterschiedlichen Energien ergänzen sich und lösen eine Kettenreaktion aus. Diese beiden Energien…«
    Ich überlege, ob ich fortfahren soll, aber Hilal beendet den Satz für mich:
    »…sind wie der positive und der negative Pol einer Batterie, die notwendig sind, um eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Sie werden zu ein und demselben Licht. Wie Planeten, die einander anziehen und am Ende kollidieren. Wie Liebende, die einander nach sehr, sehr langer Zeit wiederbegegnen. Das große Aleph kann auch durch einen Zufall ausgelöst werden, wenn zwei Menschen, die das Schicksal für etwas Bestimmtes erwählt hat, sich am richtigen Ort begegnen.«
    Genau so ist es. Aber ich möchte sichergehen, dass sie es tatsächlich begriffen hat.
    »Was meinst du mit >am richtigen Ort    »Ich will damit sagen, dass es genau dieser Ort ist, der den Unterschied macht, ob zwei Menschen ihr ganzes Leben zusammen verbringen oder sich nach der ersten Begegnung gleich wieder für immer verabschieden. Dieser Ort ist es, der die Gefühle bei ihnen hervorbrächte, die sie auf dieser Welt vereinen würden - wenn sie zur richtigen Zeit gemeinsam dort wären. Es kann also sein, dass man sich verabschiedet, ohne die Bedeutung eines Treffens überhaupt erfasst zu haben. Aber wenn es Gottes Wille ist, dann werden diejenigen, die sich schon einmal geliebt haben, einander wiederbegegnen.«
    »Nicht zwangsläufig. Auch Menschen, die schon einmal eine geistige Verwandtschaft gespürt haben wie mein Meister und ich beispielsweise -«
    »…früher, in einem früheren Leben«, fällt mir Hilal erneut ins Wort. »Oder wenn man sich auf einer Party trifft, du hast es vorhin selbst gesagt, im kleinen Aleph, und sich sofort verliebt. Die berühmte Liebe auf den ersten Blick.«
    Ich beschließe, bei Hilals Beispiel zu bleiben.
    »Die natürlich keineswegs eine Liebe >auf den ersten Blick< ist, sondern das vorläufig letzte in einer ganzen Reihe von Ereignissen, die in der Vergangenheit geschehen sind. Das soll nicht heißen, dass jede dieser Begegnungen in eine Liebesbeziehung mündet. Meistens kommt es dazu, weil in der Vergangenheit Dinge ungelöst geblieben sind und wir eine Wiederbegegnung brauchen, um sie zu vollenden. Du liest da etwas in die Situation hinein, was sie in Wahrheit nicht hergibt.«
    »Ich liebe dich.«
    »Nein, du verstehst mich vollkommen falsch!« Langsam werde ich ungehalten. »Ich habe die Frau, die für mich bestimmt ist, bereits gefunden. Hier, in dieser Inkarnation. Es hat dafür drei Ehen gebraucht, aber jetzt werde ich sie für nichts und niemand je verlassen. Wir haben uns vor vielen Jahrhunderten kennengelernt und werden für alle Zeiten zusammenbleiben.«
    Aber Hilal will all das gar nicht hören. Wie schon in Moskau küsst sie mich flüchtig auf den Mund und verschwindet in der eisigen Nacht von Jekaterinburg.

Träumer lassen sich nicht zähmen
     
    Das Leben ist der Zug, nicht der Bahnhof. Und nachdem wir nun schon fast wieder zwei Reisetage hinter uns haben, bedeutet es außerdem Erschöpfung, Orientierungslosigkeit und eine wachsende Anspannung zwischen den Menschen, die auf so engem Raum zusammenleben. Die Sehnsucht nach den Tagen in Jekaterinburg wächst.
    Am Tag unserer Abreise hat mich an der Rezeption des Hotels eine Nachricht von Yao erwartet, ob ich nicht Lust hätte, etwas Aikido zu trainieren. Doch ich hatte mich nicht bei ihm gemeldet, denn ich wollte ein paar Stunden allein sein.
    Ich hatte mich den ganzen Morgen mit Joggen und Spazierengehen körperlich verausgabt, damit ich abends in der Transsib müde genug wäre, um trotz des Schaukeins einschlafen zu können. Ich hatte mit meiner Frau telefoniert (mein Handy hatte im Zug nicht funktioniert) und ihr meine Zweifel am Sinn dieser Reise eingestanden. Ich wüsste noch nicht, ob ich bis zum Schluss durchhalten würde, obwohl es bisher durchaus eine nützliche Erfahrung gewesen sei.
    Sie hatte gemeint, ich solle entscheiden, wie es für mich am besten sei, und mir keine Gedanken machen, sie sei voll und ganz mit ihrer Malerei ausgelastet. Allerdings habe sie einen Traum gehabt, den sie nicht verstehe: Ich sei an einem Strand gewesen, jemand sei aus dem Meer gekommen und habe mir gesagt, meine Mission sei endlich erfüllt. Dann sei diese Person

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