Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aleph

Aleph

Titel: Aleph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
Vom Netzwerk:
werden, ich die Wärme der Sonne spüren werde und die Wunden von früher endlich heilen. Und dann geschieht plötzlich nichts von alledem. Vielleicht ist das der Preis für das Leid, das ich all diesen Männern angetan habe.«
    Das goldene Licht, das ich durch pure Willenskraft hervorgerufen habe, eine klassische Methode, um in vergangene Leben zurückzukehren, bewegt sich nun ganz von allein.
    »Nein, du brauchst für gar nichts zu bezahlen. Und ich auch nicht. Vergiss nicht, was ich letztens im Zug gesagt habe: Wir erleben jetzt alles, was in der Vergangenheit geschehen ist und was in der Zukunft liegt. Genau in diesem Augenblick, in einem Hotel in Nowosibirsk, wird die Welt erschaffen und gleichzeitig zerstört. Wir können unsere Sünden wiedergutmachen, wenn wir uns nur dazu entschließen.«
    Nicht nur in Nowosibirsk, sondern an allen Orten des Universums pulsiert die Zeit wie das riesige Herz Gottes, das sich weitet und wieder zusammenzieht. Hilal schmiegt sich eng an mich, und ich spüre auch ihr kleines Herz schlagen.
    Jetzt bewegt sich der goldene Ring um meinen Körper immer schneller. Als ich zum ersten Mal diese Übung machte - ich hatte sie aus einem Buch mit dem Titel Entdecken Sie die Geheimnisse vergangener Leben -, wurde ich sofort nach Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts versetzt und sah mich dort ein Buch über die gleichen Dinge schreiben, über die ich heute noch schreibe. Ich fand heraus, wie ich hieß, wo ich wohnte, was für eine Feder ich benutzte und welchen Satz ich gerade zu Ende geschrieben hatte. Das hat mich dermaßen erschreckt, dass ich sofort wieder in die Gegenwart, an den Strand von Copacabana und in das Zimmer zurückkehrte, in dem meine Frau friedlich neben mir schlief. Am nächsten Tag stellte ich sofort Nachforschungen an über den, der ich einst gewesen war, und eine Woche später wollte ich »mich« noch einmal treffen. Das hat aber nicht funktioniert. Und sooft ich es auch versuchte, es ist mir nie wieder gelungen.
    Ich habe mit J. darüber gesprochen. Er hat es mir so erklärt, dass es anfangs immer eine Art »Anfängerglück« gibt, mit dem Gott beweisen will, dass es durchaus möglich ist. Aber danach geht überhaupt nichts mehr. J. riet mir davon ab, es weiter zu versuchen, es sei denn, ich hätte ein wirklich gravierendes Problem in einem meiner vorherigen Leben zu lösen. Ansonsten sei es einfach nur vergeudete Zeit.
    Viele Jahre später wurde ich in Sao Paulo einer Frau vorgestellt, einer erfolgreichen homöopathischen Ärztin, die sehr viel Anteil an ihren Patienten nahm. Bei jeder Konsultation war mir, als sei ich ihr schon einmal begegnet, und ihr ging es genauso. Eines Tages standen wir auf dem Balkon meines Hotels, sahen auf die Stadt, und ich schlug ihr vor, uns durch den Ring des Feuers gemeinsam in die Vergangenheit versetzen zu lassen. Wir gelangten beide vor die Tür, die auch Hilal und ich im Aleph gesehen hatten. An diesem Tag verabschiedete sich die Ärztin lächelnd wie immer, doch ich habe nie wieder auch nur ein Wort mit ihr gesprochen. Sie nahm meine Anrufe nicht entgegen, verweigerte mir den Zutritt zu der Klinik, in der sie arbeitete, und mir wurde klar, dass es keinen Sinn hatte, es noch weiter zu versuchen.
    Aus einem kleinen Riss im Damm allerdings war ein Loch geworden, aus dem Wasser zu strömen begann. Im Laufe der Jahre habe ich noch drei weitere Frauen getroffen, die in mir das gleiche Gefühl wie die Ärztin auslösten - nur habe ich nicht wieder den gleichen Fehler begangen und die Übung stattdessen allein gemacht. Keine hat je erfahren, dass ich für etwas Schreckliches in ihren vergangenen Leben verantwortlich war.
    Das Wissen um das, was ich in der Vergangenheit falsch gemacht hatte, hat mich jedoch nie gelähmt. Ich war ehrlich entschlossen, es wiedergutzumachen. Acht Frauen wurden Opfer dieser Tragödie, und ich war mir sicher, dass mir eine von ihnen am Ende erzählen würde, wie die Geschichte ausging. Denn ich weiß fast alles, nur kenne ich den Fluch nicht, mit dem ich belegt worden bin.
    Und so bin ich in die Transsib gestiegen und mehr als ein Jahrzehnt nach dem ersten Mal wieder in das Aleph eingetaucht. Die fünfte Frau liegt jetzt neben mir, redet über Dinge, denen ich nicht mehr folge, weil sich der Feuerring immer schneller bewegt. Nein, ich möchte sie nicht noch einmal dahin mitnehmen, wo wir einander einst begegnet sind.
    »Nur Frauen glauben an die Liebe. Männer nicht«, sagt Hilal.
    »Männer glauben

Weitere Kostenlose Bücher