Alera 01 - Geliebter Feind
und das ärgerte mich.
An meinem Platz angekommen, griff Galen in einen Beutel, der an seinem Gürtel hing. Er zog eine herrliche Halskette mit einem Anhänger heraus und legte sie über seinen Handrücken, um mir zu zeigen, dass sich in der Mitte des silbernen Anhängers auch noch ein tropfenförmiger Saphir befand. Die Kette war wunderschön, sehr kostbar und passte perfekt zu meiner Robe. Ich überlegte, wie mein Verehrer das wohl bewerkstelligt hatte. Vielleicht hatte er mehrere Ketten mit verschiedenfarbigen Steinen gekauft, sodass, welches Kleid ich auch trug, eine auf alle Fälle dazu passte. Möglicherweise hatte er meine Garderobe aber auch ausspioniert. Angesichts der Tatsache, dass der Großteil unserer weiblichen Bevölkerung für ihn schwärmte, konnte es ihm zweifellos gelungen sein, meiner Kammerzofe charmant zu entlocken, was ich bei diesem Anlass tragen würde.
»Steldor bat mich, Euch dies zu geben, als Pfand seiner Zuneigung und als Zeugnis seiner Sehnsucht nach einem ungetrübten Verhältnis zu Euch.« Galen hielt mir das Schmuckstück so hin, dass jeder, der uns beobachtete, seine Pracht bemerken musste. »Es wäre ihm eine Ehre, wenn Ihr es heute Abend tragen würdet. Doch solltet Ihr Euch dagegen entscheiden, würde er auch das mit Würde und Demut akzeptieren.«
Ich begriff die beiden Alternativen, die Galen mir anbot. Trug ich die Kette, würde Steldor annehmen, alles sei verziehen. Weigerte ich mich, hätte ich den ganzen Abend Ruhe vor ihm. Bevor ich mich entschied, warf ich Steldor einen raschen Blick zu, der ihm zu verstehen geben sollte, dass ich vorhatte, abzulehnen, bevor ich seinem Freund ebendies sagen würde. Doch ich schwankte und suchte nach Worten. Steldor hatte sich nicht von der Stelle gerührt und war, ganz untypisch für ihn, allein. Er stützte sich mit einer Hand auf den Tisch neben sich und trommelte geistesabwesend mit den Fingern auf der Platte. Weder seine Miene noch seine Haltung wirkte überheblich. Er schien vielmehr verletzlicher, als ich ihn je gesehen hatte, als ob er sich wirklich Sorgen darüber machte, wie Galens Gespräch mit mir verlaufen würde. Ich empfand ganz unerwartet Mitleid mit ihm. Steldor besaß auch einige positive Eigenschaften, was mir allerdings bei den meisten Gelegenheiten entging, da es mir schwerfiel, über seinen unerträglichen Dünkel hinwegzusehen. Jetzt jedoch, wo dieser Aspekt seines Charakters einmal nicht im Vordergrund stand, war ich fast geneigt, mich mit ihm zu versöhnen. Wir würden vielleicht doch ein gutes Paar abgeben , sagte ich zu mir selbst und stellte mir uns beide zusammen vor. Wenn es nur einen Weg gäbe, seine unerträgliche Ichbezogenheit zu bekämpfen.
Als ich meine Aufmerksamkeit wieder Galen zuwandte, bemerkte ich, dass mein Vater mir zuzwinkerte, und verstand auf einmal, wie schlau die beiden Freunde das eingefädelt hatten. Sie hatten ihr Vorgehen sorgsam geplant. Galen hätte mir die Kette ja auch schon geben können, bevor wir den Tisch erreicht hatten, oder auch später, im weiteren Verlauf des Abends, aber er hatte genau den Moment in der Nähe meines Vaters abgepasst. Und der hatte mit Sicherheit den Kern unseres Gesprächs mitbekommen. Wenn ich Steldors Geschenk jetzt ablehnte, würde ich folglich nicht nur Steldor enttäuschen, sondern auch den König.
Ich biss mir auf die Unterlippe und spürte einen mächtigen Zorn im Bauch, trotzdem lenkte ich ein und drehte mich um, damit Galen mir die Kette umlegen konnte. Schließlich warf ich Steldor noch einen Blick zu, der jetzt auch zu mir schaute und zu strahlen begann. Zu meinem Missfallen kehrte aber sogleich auch seine typische herablassende Miene zurück.
»Habt Dank, Mylady«, sagte Galen, und ich ärgerte mich insgeheim, dass er seinem Freund sogar das noch abnahm. »Steldor wird Eure Geste zu schätzen wissen.« Damit ging Galen davon und zu seinem eigenen Tisch zurück.
Ich beachtete die beiden Kommandanten nicht weiter, sondern nahm den für mich vorgesehenen Platz zur Linken meiner Mutter ein. Mein Vater strahlte mich an, und meine Mutter drehte sich zu mir um, um die Kette zu bewundern.
»Er besitzt einen außergewöhnlich guten Geschmack«, zwitscherte sie in dem für sie typischen melodiösen Tonfall, »und das nicht nur bei Schmuck.«
Ich nickte und stocherte lustlos auf meinem Teller herum.
Kurze Zeit später trat ein aschfahler Koranis an unseren Tisch. Narian blieb allerdings verschwunden. Was mochte sich zwischen Vater und Sohn
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