Alera 01 - Geliebter Feind
zu insistieren.
Ich gab nach und hoffte, ihn mit meiner Hartnäckigkeit in Bezug auf den Kriegsherrn nicht so weit verstimmt zu haben, dass er nicht mehr bereit war, sein Wissen über Nantilam mit mir zu teilen.
»Dann erzähl mir doch bitte mehr über die Hohepriesterin.« Zu meiner Erleichterung bedeutete er mir, mich wieder auf das Sofa zu setzen, und fuhr fort:
»Wir wissen nicht viel. Aber trotz all seiner Heimlichtuerei wissen wir eigentlich mehr über ihn als überdie Hohepriesterin. Sie war in die Kampfhandlungen während des Krieges nicht involviert und daher für uns nicht vorrangig bedeutsam – bis heute Abend. Jetzt müssen wir herausfinden, was sie im Garten unseres Palastes vorhatte.«
»Wohin hat man sie gebracht?«
»Ich habe sie in den Kerker werfen lassen, schon vergessen?«
»Und was wird mit ihr passieren?«
Er seufzte und war meiner bohrenden Fragen offensichtlich müde.
»Über Nacht wird sie in einer Zelle bleiben, und morgen bringt man sie zum Verhör in den Thronsaal.«
»Kann ich dann dabei sein?«
»Nun ja, du bist Angehörige der königlichen Familie.« London fuhr sich erschöpft mit der Hand durch sein silbergraues Haar. »Aber natürlich kann dein Vater dir die Teilnahme untersagen.«
Ich runzelte die Stirn, denn die Verbote meines Vaters, ausgelöst von seinem übertriebenen Sicherheitsdenken, waren mir wohl vertraut.
»Nächstes Jahr werde ich Königin sein. Also muss ich mich doch in jeglicher Weise darauf vorbereiten. Das bedeutet auch, etwas über den Feind in Erfahrung zu bringen, nicht wahr?«
»Ja, aber du wirst nicht König. Wichtige Entscheidungen für das Reich wirst nicht du treffen, insofern wären deine Kenntnisse über den Feind nutzlos.«
Innerlich kochte ich, weil ich wusste, dass London recht hatte und mein Vater mich aller Wahrscheinlichkeit nach von der Befragung ausschließen würde.
»Das ist mir egal«, stieß ich ungezügelt hervor. »Egal, was mein Vater sagt, ich werde dabei sein.«
London zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Jetztsolltest du zu Bett gehen. Ich bin mir sicher, dass der morgige Tag anstrengend werden wird.«
»Gute Nacht, London«, murmelte ich und stand auf, während er, für heute aus seinem Dienst entlassen, das Zimmer verließ.
Ich bereitete mich auf die Nacht vor und vertraute auf die Palastwachen, die bis zum Morgen vor meiner Tür postiert bleiben würden. Schließlich kannte ich Cannan und Kade gut genug, um zu wissen, dass die Ereignisse des Abends für sie Grund genug wären, die Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen. Ich blies meine Laterne aus und schlüpfte unter die Decke. Dort siegte mein erschöpfter Körper über meinen ruhelosen Verstand. Ich schlief ein, ohne bereits einen konkreten Plan zu hegen, wie ich meinem Vater am nächsten Morgen wohl am besten begegnen sollte.
»Vater!«, rief ich und meine Stimme hallte zwischen den Mauern des Thronsaals mit seinem Steinboden und der gut sieben Meter hohen Eichenholzdecke wider. Es war erst kurz nach Sonnenaufgang, und das schwache Morgenlicht, das durch die Fenster weit oben an der Nordseite des Raumes hereinfiel, konnte gegen die düstere Atmosphäre nicht viel ausrichten. Entschlossen, dabei zu sein, wenn die Gefangene zum Verhör gebracht wurde, war ich früh aufgestanden. Jetzt war es an der Zeit für meinen Überredungsversuch beim König.
Am anderen Ende des Saales befand sich ein großes Marmorpodest, auf dem mein Vater auf seinem juwelengeschmückten Thron saß und mir entgegenblickte. Der Thron meiner Mutter zu seiner Linken war leer, und ich wusste nicht, ob ihr eigener Wille oder die Entscheidung meines Vaters der Grund dafür war. Zwei verzierte Sessel standen links von ihrem Thron und waren fürMiranna und mich bei Gelegenheiten vorgesehen, wenn wir meine Eltern hierher, in den Halle der Könige genannten Saal begleiteten.
Als ich mit London auf den Fersen näher kam, erhob sich mein Vater mit missbilligender Miene. Dazu passend blickten rechts und links meine Vorfahren von ihren Porträts mit ernsten Gesichtern auf mich herab. Mein unerwartetes Erscheinen hatte den König ebenso überrascht wie die zwölf Angehörigen der Elitegarde, die jeweils zu sechst links und rechts vom Thron postiert waren. In ihren Gesichtern spiegelte sich die gleiche Bestürzung wie in dem meines Vaters. Nur der rechts vom König stehende Cannan verzog keine Miene.
»Alera«, sagte mein Vater leiser, aber hörbar tadelnd. »Du solltest nicht hier sein.«
»Ich
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