Alera 01 - Geliebter Feind
Wirbel scheint es ja fast, als würden wir uns aus dem Weg gehen!« Er kicherte über seinen Scherz. »Wie schön, dass wir jetzt endlich die Zeit finden, uns zu unterhalten.«
»Soll ich hinausgehen?«, erbot sich London, der noch an der offenen Tür stand.
»Nein, nein, das ist ganz unnötig. Ich brauche nur einen Augenblick. Außerdem würdest du damit wahrscheinlich eine der Vorschriften deines Hauptmannes brechen. Und ich möchte doch nicht dafür verantwortlich sein, dass du Ärger mit Cannan bekommst!«
London schloss die Tür und lehnte sich wie üblich mit verschränkten Armen an die Wand. Ich setzte mich auf, während mein Vater sich neben mir auf dem Sofa niederließ.
»Wie ich schon sagte, Alera, schön, dass wir endlich ein wenig Zeit miteinander verbringen können. Ich hatte vor, am Abend deines Geburtstages mit dir zu sprechen, aber dann endete der Abend ja in einiger Aufregung. Zum Glück hat Cannan einen klaren Kopf bewahrt. Nicht auszudenken, was ohne ihn alles hätte passieren können!«
London schnaubte leise, um seinem Ärger darüber Luft zu machen, dass mein Vater es Cannan zugutehielt, dass die Feindin gestellt worden war. Er sagte jedoch nichts.
»Ich möchte mit dir gern über die Wahl deines Gatten sprechen«, fuhr mein Vater fort und sah mich mit seinen braunen Augen liebevoll an. »Es hat mich gefreut, von Lord Steldor zu hören, dass er den Abend mit dir sehr genossen hat. Sag mir, hast du noch irgendeinen anderen jungen Mann im Auge?«
Auch wenn in meinen Augen fast jeder andere Steldor vorzuziehen war, so fiel mir doch kein Einziger ein, den mein Vater ernsthaft in Betracht gezogen hätte. Steldor war nun einmal als sein Nachfolger prädestiniert. Sein ganzes Leben lang war er im Hinblick darauf erzogen worden.
»Ich fürchte nein, Vater.«
»Dann will ich dir meine Überlegungen nicht verhehlen«, antwortete er und strahlte große Zufriedenheit aus. »Mir passt es bestens, dass Steldor der einzige Mann ist, der infrage kommt, und ich finde es sehr ermutigend, dass er sich für dich interessiert.«
Ich verkniff mir eine Grimasse, weil damitoffensichtlich war, dass ihm Steldors Meinung von mir mehr Kopfzerbrechen bereitete als meine von Steldor.
»Lord Steldor ist … eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Aber ich bin trotzdem nicht überzeugt, dass er der Mann ist, den ich heiraten sollte.«
»Was willst du denn damit sagen, Alera?«, fragte mein Vater schockiert.
»Ich meine nur …« Ich suchte nach anderen vernünftigen Begründungen außer der Wahrheit, die er nie akzeptieren würde. »Ich betrachte Steldor nur als Freund. Vielleicht sollte er besser Mira heiraten.«
»Mach dich nicht lächerlich«, schalt er mich. »Würde er Miranna heiraten, könnte er niemals König werden.«
»Aber sie würde besser zu seinem … Charakter passen.«
»Aber er taugt besser als jeder andere in diesem Reich zum König.« Seine wachsende Enttäuschung war an seinen ungeduldigen Gesten abzulesen. »Und die Fähigkeit zu regieren soll die wichtigste Grundlage für diese Entscheidung sein.«
»Das weiß ich, Vater«, gab ich mit tonloser Stimme nach und sah zu Boden.
Er fasste mit der Hand nach meinem Kinn und drehte mein Gesicht zu sich, wobei seine Züge weicher wurden.
»Vom Freund zum Ehemann ist es kein so weiter Weg. Und ich bestehe darauf, dass du Steldor diese Chance gibst.«
»Ja, Vater«, murmelte ich, denn ich hatte das Gefühl, es sei besser, jetzt seinem Wunsch nachzukommen.
»Bestens!«, rief er aus und klatschte in die Hände. Er schien seine gute Laune wiedergefunden zu haben. »Dann werde ich ihn davon in Kenntnis setzen, dass du seinen Avancen nicht abgeneigt bist.«
Bevor ich Gelegenheit hatte, ihm zu widersprechen, sprang mein Vater auf und war schon wieder zur Tür hinaus.
»Nein«, flüsterte ich und spürte, wie mir das Blut aus den Wangen wich. »Was habe ich da nur angerichtet?«
Ich sah den Anflug eines Grinsens auf Londons Gesicht und sprang ebenfalls auf.
»Wage es bloß nicht, mich auszulachen!«
»Das wollte ich gar nicht«, behauptete London, obwohl seine Augen unverkennbar weiterlächelten.
Entnervt ließ ich Sahdienne rufen, damit sie mir ein Bad einließ. Meine Badestube bestand aus einem Waschbecken auf einem Ständer und einem in die Außenmauer des Schlosses eingebauten Schrank. Einzigartig war die im Fliesenboden versenkt eingelassene Wanne. Das Wasser dafür kam aus Leitungen, die über Rohre mit einer der zahlreichen Brunnen des
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