Alera 01 - Geliebter Feind
sichtlich ruhelos. Nach einer Stunde kehrte London mit Tadark im Schlepptau zurück. Da wusste ich definitiv, dass Cannan seinen Plan gutgeheißen hatte. Nachdem sie Tadark draußen vor meiner Salontür postiert hatten, brachen die beiden stellvertretenden Hauptmänner auf und ließen mich mit der undankbarsten aller Aufgaben zurück: Warten.
29. EINE SPUR VON DEN COKYRIERN
Zwei Tage später erwachte ich morgens von einem lauten Klopfen an meiner Schlafzimmertür.
»Prinzessin Alera, sie haben ihn!« Tadark klang aufgeregt und war hörbar erfreut, Überbringer der guten Nachricht zu sein.
»Wer hat wen?«, rief ich zurück.
»London und Destari – sie haben letzte Nacht die Cokyrier gefasst! Und sie haben Lord Narian!«
»Ist er unversehrt?«, fragte ich und war auf einen Schlag hellwach. »Sind London und Destari unverletzt?«
»London und Destari sind müde, aber unversehrt«, antwortete Tadark wohlgemut, als ob er persönlich an der erfolgreichen Aktion beteiligt gewesen wäre. »Lord Narian wurde in seine Gemächer gebracht. Man hat den königlichen Leibarzt gerufen, aber ich denke, das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Von irgendwelchen Verletzungen habe ich nichts gehört.«
»Ich danke dir«, antwortete ich ihm aufgeregt. »Ich komme gleich heraus und will Narian umgehend besuchen.« Ich musste mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass ihm kein Leid geschehen war.
Sahdienne kam in mein Schlafzimmer und half mir beim Ankleiden. Ich ließ das Frühstück ausfallen und machte mich stattdessen auf den Weg in das Gästezimmer im dritten Stock, wo Narian untergebracht war. Tadark folgte mir auf dem Fuße. Als ich die Tür erreicht hatte, die auf dem Flur gegenüber von dem Zimmer lag, in dem man ihn als Gefangenen festgehalten hatte,klopfte ich kräftig an die Tür. London öffnete mir. Auch Destari war im Zimmer, aber keiner von beiden schien sich über mein Erscheinen zu wundern. Ich durchquerte sogleich den Raum und trat an Narians Bett. Er lag in Hemd und Hose auf dem Doppelbett, zugedeckt mit einer Wolldecke. Davor standen seine Stiefel. Seine Lederjacke und der Umhang waren über das Fußende geworfen. Er sah etwas magerer aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, schien aber friedlich zu schlummern. Ich wollte schon die Hand ausstrecken und sein Gesicht berühren, doch sogleich wurde mir klar, dass eine solche Geste zu viel über mein Verhältnis zu ihm verraten hätte.
»Sie haben ihm irgendetwas gegeben, aber der Doktor meint, er würde einfach noch eine Weile schlafen«, erklärte London und trat neben mich. »Er ist für Cokyri zu wertvoll, als dass sie ihm echten Schaden zufügen würden.« Er schwieg kurz und fügte dann hinzu: »Mir täte jeder Cokyrier leid, der dafür verantwortlich gemacht würde, dass Narian etwas Ernstliches zustößt.«
»Erzähl mir von seiner Rettung«, drängte ich. Jetzt, wo ich wusste, dass er in Sicherheit war, wollte ich alle Details wissen.
»Es lief wie erwartet. Wir überwältigten die Cokyrier, nachdem sie die Mauer überwunden hatten, und haben jetzt drei Gefangene in unserem Kerker.« London runzelte die Stirn und fuhr fort: »Einer konnte jedoch entkommen, was bedeutet, dass die Hohepriesterin und der Overlord inzwischen wahrscheinlich schon wissen, dass der Entführungsversuch gescheitert ist.« Er sah Destari an, der am Fuß des Bettes stand. »Ich fürchte ihre Reaktion darauf.«
Während die beiden sich noch unterhielten, ging die Tür auf und Cannan kam herein. Er steuerte sofort auf seine Männer zu.
»Wie geht es ihm?«, fragte er und sah auf Narian hinab. London wiederholte, was er mir bereits gesagt hatte. Cannan winkte die beiden Elitegardisten ein Stück beiseite und fragte: »Was glaubt ihr, wie die nächsten Machenschaften des Feindes aussehen werden?«
»Er wird rasch und heftig Vergeltung üben«, sagte London in bitterem Ton. »Wir sollten alle, die außerhalb der Stadt leben, auffordern, sich sofort in den Schutz der Stadtmauern zu begeben.«
Einen Moment lang stand der Hauptmann nachdenklich da, dann verließ er ohne ein weiteres Wort das Zimmer. London und Destari folgten ihm. »Sag uns Bescheid, sobald Narian erwacht«, wiesen sie Tadark, der sich im Hintergrund gehalten hatte, noch an.
Als ich mit Tadark und Narian allein war, bat ich meinen Leibwächter, mir einen Sessel ans Bett zu rücken. Und dann saß ich zum zweiten Mal innerhalb einer Woche am Bett eines Mannes, den ich liebte, und wartete darauf, dass er
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