Alera 01 - Geliebter Feind
unterhalten, befreite.
Als wir fertig waren, wandte Miranna sich mit einem entzückenden Lächeln an Temerson.
»Würdet Ihr mich an den Fluss begleiten? Ich möchte mir im Wasser gerne die Hände waschen.«
Temerson nickte und machte große Augen über diesen Auftrag. Er stand auf, und die beiden ließen mich mit meinem Verehrer allein.
Ich rechnete mit einem sehr langen, angespannten Schweigen, aber Steldor schien anderes im Sinn zu haben. Er rückte an meine Seite, legte einen Arm um meine Taille und zog mich in seine Arme. Ich versuchte, michihm zu widersetzen, aber er war zu stark und entschlossen. Außerdem vernebelte sein betäubender Duft meinen Verstand.
»Habt doch keine Angst vor mir, Alera«, murmelte er. »Ich mag ein wenig Temperament bei Frauen.« Seine Lippen strichen über meine Wange, und er fügte hinzu: »Wenigstens haben wir es diesmal nicht mit einem Leibwächter zu tun, der sich einmischt.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, erwiderte ich schnippisch und lehnte mich von ihm weg. Seine Anspielung auf London ernüchterte mich.
»Bei unserem letzten trauten Beisammensein hat London uns frech gestört und behauptet, im Palast gäbe es irgendeinen Notfall.«
Jetzt strich er ein paar Strähnen, die sich aus meiner Frisur gelöst hatten, über meine Schulter nach hinten und streichelte dabei mit seinen Fingern über meinen Hals.
»Eure unerwünschten Annäherungsversuche, vor denen er mich seinerzeit bewahrt hat, würde ich durchaus als Notfall bezeichnen«, sagte ich aufgebracht und schob ihn von mir weg.
Steldor erstarrte. Ich vermutete, bislang hatte noch keine Frau auch nur angedeutet, seine Avancen könnten unerwünscht sein, und jetzt hatte ich ihm auf den Kopf zugesagt, dass ich kein Bedürfnis nach Nähe zu ihm verspürte. Ich konnte fast sehen, wie der Zorn in ihm hochstieg. Er sprang auf und stieß mich dabei von sich, sodass ich unsanft auf die Seite fiel.
»Da bin ich nun, allein mit Euch und so zärtlich und gewinnend, wie man nur sein kann, und Ihr wollt nichts davon wissen!« Seine Stimme hatte all ihren Schmelz eingebüßt und klang jetzt tiefer und rauer. »Es gibt sehr viele junge Frauen in Hytanica, die alles, wassie besitzen, ohne zu zögern dafür hergeben würden, die Aufmerksamkeit zu genießen, die ich Euch einfach so anbiete, Alera.«
Nach einem raschen Tritt gegen den Picknickkorb stürmte er in Richtung Flussufer davon, wo Miranna und Temerson nebeneinander auf einem Felsvorsprung saßen. Es war Miranna offenbar doch noch gelungen, den schüchternen jungen Mann zum Reden zu bringen. Allerdings verstummte Temerson sofort, als der Feldkommandant sich ihnen näherte.
Steldor setzte sich ganz dicht neben meine Schwester, zog seinen Dolch aus der Scheide und stellte einen Fuß auf einen großen Stein. Ich war zu weit entfernt, um verstehen zu können, was er sagte, aber seine Körpersprache, während er das Messer von einer Hand in die andere warf, und die Art, wie Miranna errötete, verriet mir genug. Mit jedem Kichern, das er ihr entlockte, wuchs meine Abneigung gegen den Sohn des Hauptmanns. Ich war mir sicher, dass Steldor mit Miranna flirtete, um mich eifersüchtig zu machen. Zwar waren meine Gefühle in diesem Moment ein Chaos, aber Eifersucht spielte dabei gewiss keine Rolle.
Steldor fuhr ein paar Minuten mit seiner Selbstdarstellung fort, bis Miranna zu mir herübersah und begriff, was der eigentliche Hintergrund seines Verhaltens war. Da stand sie abrupt auf und zeigte über seine Schulter.
»Seht nur, ein Apfelbaum!«, rief sie.
Steldor schien kurzzeitig schockiert, weil meine Schwester in der Lage war, einen simplen Apfelbaum zu registrieren, während sie doch unter seinem Bann stand. Dann zuckte er mit den Schultern und drehte sich in die Richtung, in die sie zeigte. Vermutlich war er zu dem Schluss gekommen, dass sie noch zu jung war, umangemessen auf die Interessensbekundung von einem derart attraktiven Mann wie ihm reagieren zu können.
»Alera!«, rief Miranna. »Komm mit mir Äpfel pflücken!«
Meine Schwester kam auf mich zu, gefolgt von Temerson und Steldor, der seinen Dolch wieder weggesteckt hatte. Steldor blieb mit blasierter Miene neben mir stehen, offenbar überzeugt, dass sein Versuch, mich eifersüchtig zu machen, geglückt war.
»Ja, Alera, kommt mit uns Äpfel pflücken.«
Ich bedeutete Miranna und Temerson vorauszugehen und wandte mich an den Lieblingskandidaten meines Vaters.
»Vielleicht solltet Ihr und Tadark die Pferde zum
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