Alera 01 - Geliebter Feind
zurückbringt.«
Mirannas zunächst stockender Atem ging inzwischen wieder regelmäßiger, was Steldor offensichtlich so auslegte, dass ihr die Schauspielerei zu viel geworden war.
»Seht selbst«, er deutete auf die Stelle, wo sie mit geschlossenen Augen auf dem Boden lag. »Ihr Zustand hat sich bereits gebessert. Das Spielchen ist aus, Alera. Bei mir verfangen Eure kleinen Finessen nicht. Wir werden also nicht vor der vereinbarten Zeit zum Schloss zurückkehren.«
»Schön! Dann nehme ich jetzt die Kutsche und bringe sie selbst dorthin! Aber ich würde Euch, Steldor, raten, Euch schon jetzt Gedanken über ein paar Ausreden zu machen, denn Ihr werdet sehr gute Gründe brauchen, um das meinem Vater zu erklären!«
Ich beugte mich zu Miranna hinunter und kehrte den beiden Männern den Rücken zu. »Versuch noch einmal, aufzustehen, dann helfe ich dir zur Kutsche.«
Ich brachte sie dazu, sich aufzusetzen, obwohl sie nur mit Mühe atmen konnte. Als sie versuchte aufzustehen, kam ein spitzer Schrei über ihre Lippen und sie brach vor Schmerz ohnmächtig zusammen. Es gelang mir gerade noch, den Arm unter ihren Rücken zu schieben und so zu verhindern, dass sie auf den Boden aufschlug.
Nachdem ich ihr Haupt vorsichtig abgelegt hatte, funkelte ich die beiden Männer böse an. Mein Zorn auf sie wuchs weiter, aber gleichzeitig wollte ich auch, dass sie endlich etwas taten. Immerhin kniete Steldor sichneben meine Schwester und legte eine Hand an ihre aschfahle Wange.
»Ihre Haut fühlt sich eiskalt an«, konstatierte er und runzelte sorgenvoll die Stirn.
»Was sollen wir nur machen?«, fragte Tadark und trat von einem Bein aufs andere, als wollte er fortlaufen, wüsste aber nicht, wohin.
»Hol alles, was du in ein paar Augenblicken zusammenraffen kannst, und lad es in die Kutsche«, befahl Steldor. Dann wandte er sich an mich. »Wie hat sie sich verletzt?«
»Sie ist gestürzt«, log ich und hoffte, Temerson so vor Steldors Wut zu bewahren. Zum Glück insistierte er nicht weiter.
»Lauft zur Kutsche«, ordnete er an. »Ich trage Miranna.«
Ich sah zu, wie er meine Schwester hochhob, dann folgten er und ich Tadark. Temerson stand neben der Picknickdecke und hielt einen Becher Wasser in der Hand, den er soeben geholt hatte. Entsetzt starrte er den Kommandanten an, der die bewusstlose Prinzessin trug.
»Nicht! Sie muss flach liegen«, ermahnte ich Steldor, als er versuchte, Miranna aufrecht in die Kutsche zu setzen. Ich beeilte mich, die Decke unter den verbliebenen Picknickutensilien hervorzuzerren, und brachte sie zu Steldor, der immer noch mit Miranna in seinen Armen neben der Kutsche stand. Aus der Decke faltete ich ein Kissen für sie.
»So werden wir aber nicht genug Platz für uns alle haben«, wandte Steldor ein.
»Ich kann auf dem Boden knien und auf sie aufpassen.«
Steldor runzelte die Stirn, dann legte er Miranna vorsichtig auf die Bank.
»Ihr sitzt vorne bei mir. Temerson kann auf Miranna achtgeben. Der Boden ist kein Ort für eine Dame, und ich fürchte zudem, Ihr könntet sonst aus dem Wagen fallen. Eine verletzte Prinzessin genügt vollauf.«
Er rief Temerson herbei und wies ihm seinen Platz an. Dann half er mir auf den Kutschbock.
»Lass alles da, was du nicht mit aufs Pferd nehmen kannst«, befahl er Tadark, während er sich neben mich setzte.
Dann ließ er die Zügel schnalzen und trieb die Pferde sofort zum Galopp an. Ich betete stumm, dass Miranna sich nicht ernstlich verletzt hatte.
Die mächtigen Stadtmauern hoben sich feindselig und kalt gegen den sich rasch verdunkelnden Himmel ab, als wir uns unserem Ziel näherten und die ersten Donnerschläge ertönten. Steldor ließ die Pferde in Trab fallen. Die schweren Eisentore, die den Zugang zur Stadt freigaben, waren um diese Zeit noch geöffnet und wir fuhren ungehindert unter den spitzen Stäben hindurch. Doch die Stadtwachen zu beiden Seiten musterten uns verwirrt, nachdem sie unser ungestümes Herannahen bereits beobachtet hatten.
In stetigem Trab passierten wir die Hauptstraße in Richtung Palast. Es war wieder Markttag, daher wimmelte es überall von Menschen. Steldor hielt vor den Toren des Innenhofs, wo er und Temerson vom Wagen sprangen. Nachdem der Hauptmannssohn mich vom Kutschbock gehoben hatte, erteilte er dem besorgten jungen Mann einen barschen Befehl: »Lauf voraus und sag den Palastwachen, sie sollen den Arzt herbeischaffen. Ich bringe Miranna in ihre Gemächer.«
Ich trat zu meiner Schwester und legte eine Hand auf ihre
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