Alera 01 - Geliebter Feind
sie wird sich davon erholen.« Dankbar lächelte sie Steldor und Temerson an. »Ich danke Euch, dass Ihr sie so rasch und umsichtig in den Palast zurückgebracht habt.«
Auch wenn meine Mutter mit freundlicher Stimme sprach, war klar, dass die beiden damit entlassen waren. Respektvoll verbeugten sie sich und gingen.
»Einen Augenblick noch, Temerson«, rief ich ihnen nach. Als beide stehen blieben, sagte ich entschieden: »Ich möchte nur noch ein paar Worte mit Temerson sprechen, Ihr könnt gehen.«
Steldor blickte gekränkt drein, verschwand aber trotzdem.
Ich trat nahe an den nervösen Burschen heran und erklärte mit leiser Stimme: »Mirannas Verletzung war ein Unfall, und ich gebe Euch keine Schuld daran. Sie und ich werden dabei bleiben, dass sie gestürzt ist.«
Er verzog den Mund zu seinem ersten Lächeln an diesem Tag, verbeugte sich und verließ das Zimmer.
Später am selben Nachmittag, nachdem ich mich in meinen Salon zurückgezogen hatte und Tadark seinen Dienst wieder aufgenommen hatte, verlangte ich, mit ihm zu sprechen.
»Ich denke, es könnte den König interessieren, dass du heute, gleich nach Mirannas Unfall, ein derart schlechtes Urteilsvermögen bewiesen hast«, ließ ich ihn mit blitzenden Augen wissen.
Tadark nahm eine noch aufrechtere Haltung ein, blieb aber stumm.
»Vielleicht bist du für eine derart verantwortungsvolle Aufgabe einfach nicht geschaffen«, fuhr ich fort und benutzte absichtlich die Worte, mit denen er London kritisiert hatte.
Seine gekränkte Miene verriet mir, dass ihm wohl klar war, dass sein Amt als Leibwächter auf dem Spiel stand.
»Schon gut«, sagte ich und genoss die Macht, die ich über ihn hatte. »Wenn du mir keine Schwierigkeiten machst, werde ich dir auch keine machen. Verstanden?«
Er starrte mich mit vor Empörung weit aufgerissenen Augen an. Die Tatsache, dass ich jetzt etwas gegen ihn in der Hand hatte, missfiel ihm sichtlich.
»Das ist alles. Du kannst dich zurückziehen.«
Damit drehte ich mich um und ging in mein Schlafzimmer. Rückblickend empfand ich den Tag mit einem Mal als durchaus gelungen.
13. IM SAAL DER WÜRDENTRÄGER
Eine Woche später ließ meine Mutter Miranna und mich in ihren Salon rufen. In diesem Zimmer empfing sie Besucher, besprach sich mit Bediensteten und plante all ihre das Königreich betreffenden Aktivitäten. Ich hatte keine Vorstellung, was sie von uns wollen mochte, denn wir waren kaum je vonnöten, wenn sie Besucher oder jemand vom Personal traf, und auch von einem bevorstehenden Ereignis, das das Engagement der Königin und ihrer Töchter erfordert hätte, war mir nichts bekannt.
Bevor wir den Salon der Königin betraten, mussten Miranna und ich nicht warten, wie es vor einer Audienz bei unserem Vater im Thronsaal der Fall war, sondern wir gingen einfach hinein. In seiner Größe war der Salon mit unseren vergleichbar. Es standen zwei kleine cremefarbene Brokatsofas darin sowie einige rosafarbene Samtsessel, die rechts von einem Erkerfenster eine Sitzgruppe bildeten. Unmengen frisch geschnittener Blumen waren auf Vasen und große Schalen am Boden und auf den Tischen verteilt. Das sorgte für einen köstlichen Duft und eine angenehme Atmosphäre.
»Ah, sehr gut«, sagte meine Mutter erfreut. Sie saß an einem Sekretär links neben der Tür und sah offenbar gerade einige Depeschen durch. »Wir haben einiges zu besprechen.«
Sie erhob sich und führte uns zu der Sitzgarnitur, wo sie sich auf einem der Sofas niederließ. Miranna setzte sich behutsam neben sie, während ich mich für einen der Polstersessel entschied.
»Wie geht es dir heute?«, erkundigte Mutter sich und half Miranna, es sich mithilfe von ein paar Kissen bequemer zu machen.
Miranna hob die Schultern und zuckte vor Schmerz zusammen. »Es wird schon besser, aber ganz gut ist es noch nicht.«
»Das tut mir leid, Liebes, wobei ich mir immer noch nicht vorstellen kann, wie man sich durch bloßes Stolpern den Brustkorb derart verletzen kann.«
Meine Schwester und ich tauschten einen verschwörerischen Blick, denn schließlich hatten wir vereinbart, niemand die wahre Geschichte ihrer Verletzung zu erzählen, um Temerson ein schreckliches Schicksal zu ersparen, das er nicht verdient hätte.
Meine Mutter stand noch einmal auf, weil ihr offenbar etwas eingefallen war. Dann holte sie einen Strauß langstieliger gelber Rosen von ihrem Schreibtisch.
»Die sind für dich, Herzchen. Lord Steldor war vorhin da, um sich nach dir zu erkundigen, und hat die
Weitere Kostenlose Bücher