Alera 01 - Geliebter Feind
zeigte in Richtung der vier Freunde, für die ich inzwischen nicht mehr nur Abneigung, sondern schon Verachtung empfand. Da sah ich Temerson ihnen blitzschnell ausweichen. Er wirkte ausgesprochen nervös, als befürchte er, ihr nächstes Opfer zu werden. Als sie an ihm vorübergegangen waren, entspannte er sich sichtlich.
Miranna schüttelte rasch ihr Haar auf, ergriff meine Hand und zog mich mit sich. Während wir an ihm vorbeieilten, schenkte ich Halias ein dankbares Lächeln und er nickte mir wissend zu.
Temerson hatte uns den Rücken zugewandt und zuckte erschrocken zusammen, als Miranna ihm auf die Schulter tippte.
»P-Prinzessin«, stotterte er, bemerkte mich und fügte noch ein »-n-nen« hinzu. »Was führt Euch denn hierher?«
Miranna lächelte über seine Verwirrung.
»Wir gehen einkaufen«, neckte sie ihn.
Weil ihm die Unsinnigkeit seiner Frage wohl selbst auffiel, errötete er.
»Also, ja – natürlich, wa-was solltet Ihr auch sonst tun? Ich habe nur gemeint, also, warum seid Ihr hier und unterhaltet Euch mit mir?«, stammelte er und verhedderte sich in erklärenden Worten.
»Weil wir Freunde sind, oder?«, antwortete Miranna in so liebenswürdigem Ton, dass ich wegschauen musste, um nicht zu lachen.
Temerson riss seine braunen Augen auf und seine Brauen schossen in die Höhe. Er schien gleichermaßen erfreut wie erstaunt.
»Ich, ähm, ich, äh, ich denke … schon.«
Ich merkte, dass nun auch Miranna sich das Lachen verbeißen musste, denn sie wollte unseren potentiellen Mitwisser schließlich nicht in Verlegenheit bringen.
»Ich bin froh, dass wir das geklärt haben«, sagte sie. »Aber ich fürchte, uns bleibt nicht viel Zeit zum Plaudern. Dürfte ich Euch vielleicht noch um einen Gefallen bitten?«
Temerson nickte heftig.
»Ja, alles, was Ihr wollt!«, sagte er und brachte damit den ersten fehlerfreien Satz heraus.
Miranna legte eine Hand auf seinen Arm und beugte sich vor, um ihm etwas zuzuflüstern. Nur um ganz sicherzugehen, dass Halias und Tadark nicht vielleicht mithörten. Als sie fertig war, trat er einen Schritt zurück und legte den Kopf zur Seite.
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.«
Auch wenn Mirannas Bitte ein wenig ungewöhnlich war, so stand doch außer Frage, dass Temerson sie erfüllen würde. Und wäre es nur aus Dankbarkeit, weil wir die wahre Ursache von Mirannas Verletzung bei dem Picknick damals nie verraten hatten.
»Wenn Ihr das wirklich möchtet«, sagte er irritiert.
»Ja, und vielen Dank. Wir wären Euch sehr dankbar, wenn Ihr niemand davon erzählen würdet«, betonte Miranna und schob heimlich eine kleine Geldbörse in seine Hand. »Die Reithosen sind für einen Freund, der etwa Eure Größe hat, aber von sehr schmaler Statur ist. Jetzt müssen wir gehen, aber wenn Ihr sie uns heute oder morgen in den Palast bringen könntet …«
»In den P-P-Palast? Ich? Ganz allein?« Temerson schien schockiert.
»Das wird gar kein Problem sein«, versicherte Miranna ihm. »Verlangt einfach, mich zu sehen – ich werde den Wachen Bescheid geben, dass ich Euch erwarte.«
Temerson nickte zaghaft. »Das schaffe ich«, murmelte er, wobei nicht ganz klar war, ob er zu uns oder zu sich selbst sprach.
Wie nervös ihn die Erfüllung unseres Wunsches auch gemacht haben mochte, jedenfalls war Temerson erfolgreich. Keine zwei Stunden später saß ich auf dem Sofa in meinem Salon, Tadark mir gegenüber in einem Sessel und zwischen uns ein Schachbrett auf einemkleinen Tisch. Da stürmte Miranna herein, ohne anzuklopfen. Sie hielt ein braunes Paket in Händen und grinste verschmitzt. Halias war ihr dicht auf den Fersen und schien von ihrer guten Laune reichlich verwirrt.
Ich sprang auf und ignorierte Tadarks klägliches Stöhnen, als er begriff, dass ich ihn mit meinem letzten Zug mattgesetzt hatte. Er hatte sich ohnehin nur widerwillig darauf eingelassen, überhaupt mit mir Schach zu spielen. Rasch liefen Miranna und ich in mein Schlafzimmer, wo wir uns auf mein Bett setzten und das wohlverschnürte Päckchen aufknüpften. Als sie ungeduldig das Papier aufriss, fiel unser Blick als Erstes auf eine langstielige rosafarbene Rose, die obenauf lag. Mirannas Wangen nahmen die Farbe der Blütenblätter an, als sie sie behutsam an ihre Nase führte und ihren betörenden Duft erschnupperte.
»Ich vermute ›ich denke … schon‹ war ihm nicht genug, um zu zeigen, dass er dein Freund sein möchte«, sagte ich fröhlich, denn mir war klar, wie viel meiner Schwester diese einfach
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