Alera 02 - Zeit der Rache
hatten.
»Ich hatte eben Glück«, sagte London. Nachdem er zunächst den Kopf geschüttelt und dann mir zugenickt hatte, trat Bhadran auf den Flur hinaus. Als ich näher kam, bemerkte ich Londons irritierte Miene.
»Wo ist eigentlich Miranna? Oder ist mein Anblick so furchterregend, dass man sie davon abhält, mich zu sehen?«
Londons Frage verschlug mir den Atem. Cannan und Destari tauschten einen Blick, und mir kam der Gedanke, dass die beiden gehofft hatten, Mirannas Entführung vor ihm geheim zu halten, bis sein Gesundheitszustand stabil wäre. Ich vermochte London nicht in die Augen zu sehen. Sollte ich diejenige sein, die ihm antwortete? Und wenn, würde es mir dann gelingen, die Fassung zu wahren? Er spürte die veränderte Atmosphäre im Raum und wiederholte seine Frage.
»Wo ist Miranna? Ist sie krank?«
Ich sah überallhin, nur nicht zu meinem ehemaligen Leibwächter, und wünschte, dass einer der beiden anderen ihm antworten würde. Schließlich war es der Hauptmann, der ihm die Nachricht unumwunden mitteilte.
»Sie ist nicht da. Der Feind ist in den Palast eingedrungen, und es ist ihm gelungen, eine junge Cokyrierin zu Mirannas Kammerzofe zu machen. Bis uns ein diesbezüglicher Verdacht kam, war die Prinzessin bereits in eine Falle gelockt und entführt. Wir glauben, dass sie noch am Leben ist und in Cokyri gefangen gehalten wird.«
London wurde blass und starrte Cannan mit einer Mischung aus Enttäuschung und Schrecken an. »Warum habt Ihr das vor mir verheimlicht? Und was wurde bis jetzt zu ihrer Rettung unternommen?«
Destari trat vor, als sein Freund so heftig reagierte. Wohl um zu verhindern, dass er aus dem Bett sprang und sich neuerlich verletzte. Doch da ergriff Cannan bereits wieder das Wort.
»Wir warten auf die Forderungen des Feindes. Man hätte reichlich Gelegenheit gehabt, sie zu töten, wenn das beabsichtigt gewesen wäre, daher halten wir ihr Leben nicht für gefährdet. Man hat sie aus einem bestimmten Grund verschleppt, und den wird man uns sicher demnächst mitteilen.«
»Es gibt weitaus Schlimmeres als den Tod«, fauchte London mit vor Wut blitzenden Augen. »Oder wisst Ihr etwa nicht, in wessen Hand sie sich befindet?«
Das fast unsichtbare Zusammenbeißen seiner Zähne verriet mir, dass Cannan dieser Gedanke durchaus bereits gekommen war.
»Ich werde nach Cokyri zurückkehren«, verkündete London und versuchte, sich mit seinem rechten Arm in eine aufrechtere Position hochzuschieben.
»Das kannst du nicht, London«, erwiderte Destari aufgebracht und packte seinen Freund an der Schulter. »Denk nicht einmal daran. Aus diesem Grund haben wir es dir auch nicht gesagt. Wir wussten, dass du im selben Augenblick nicht mehr an dein eigenes Wohlergehen denken würdest. Aber wir brauchen dich gesund. Hier steht noch deutlich mehr auf dem Spiel als Mirannas Leben.«
London sah Destari finster an, dann ließ er sich in die Kissen zurückfallen und brummte resigniert.
»Wann ist es passiert?«, fragte er schließlich grimmig.
Cannan antwortete bereitwillig. »Vor 18 Tagen.«
London zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen. »Und seither keinerlei Nachricht aus Cokyri?«
Das nachfolgende Schweigen war ihm Antwort genug.
»Sie werden bald Kontakt zu uns aufnehmen«, versicherte London. »Denn ihre Truppen sind jetzt bereit, ihre Forderungen zu untermauern. Unabhängig von meinem Gesundheitszustand werdet Ihr mich dann brauchen.« Da fiel ihm noch etwas ein. »Wo ist Halias?«
»Er steht unter Hausarrest«, antwortete der Hauptmann. »Er war nicht imstande, mit der Situation angemessen umzugehen.«
»Ich will mit ihm sprechen.«
»Das lässt sich einrichten.« Aus Cannans Stimme sprach unser aller Hoffnung, dass es London gelingen möge, durch die tiefen Schichten irrationaler Schuldgefühle zu Halias durchzudringen.
Da es weiter nichts zu sagen gab, machte Cannan auf dem Absatz kehrt und ließ seine beiden Stellvertreter zurück. Sie starrten einander nur an, und London schien immer noch verärgert, weil man ihn über Mirannas Verschleppung im Dunkeln gelassen hatte.
»Es ist meine Entscheidung, nach Cokyri zurückzukehren, sobald mein Zustand es zulässt«, teilte er Destari nüchtern mit.
»Nein, es ist die des Hauptmannes«, erwiderte Destari unnachgiebig.
London warf ihm einen bitterbösen Blick zu. »Lass mich allein«, fauchte er.
Destari schüttelte den Kopf, hob resigniert die Hände und verließ den Raum. Das Stapfen seiner Schritte ließ deutliche
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