Alera 02 - Zeit der Rache
Rückschlüsse auf seine Stimmung zu. Ich saß nach wie vor im Sessel neben Londons Bett und schaute betreten auf meine Hände hinunter. Ich kämpfte mit mir, ob auch ich gehen und was ich noch sagen sollte.
»Soll ich bleiben?«, fragte ich vorsichtig.
London wirkte angespannt und grüblerisch.
»Bleib, wenn es dir beliebt, doch ich will dir ehrlich sagen, dass ich nicht gerade in Plauderstimmung bin.«
Ich nickte, auch wenn er mich gar nicht ansah, und ging zur Tür.
»Alera?« Seine Stimme ließ mich innehalten. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich das tiefe Mitgefühl in seinem Blick. »Es tut mir leid. Aber ich verspreche dir, dass ich einen Weg finden werde, sie zurückzubringen.«
Ich nickte erneut und spürte Tränen in mir aufsteigen. Rasch trat ich auf den Gang hinaus, wo Destari mich erwartete. Ich hätte London so gern geglaubt, aber es wollte mir nicht recht gelingen.
13. EINE NACHRICHT FÜR IHRE HOHEIT
London ging es im Verlauf der nächsten Woche immer besser, und er konnte seinen linken Arm fast schon so gut wie vor der Verwundung benutzen. Er war zwar noch empfindlich, ließ sich aber bereits normal bewegen, und auch die Finger konnten wieder greifen. Die meiste Zeit über war er auf, weil er es im Bett nicht mehr aushielt. Alle staunten darüber, vor allem aber Bhadran. Der würdevolle Doktor schien fast gekränkt über Londons unerwartete Genesung, wahrscheinlich weil der Gardist sein Urteil so deutlich widerlegt hatte.
Das war die gute Nachricht. Gleichzeitig war das fortdauernde Schweigen der Cokyrier schwer erträglich. Ich hatte begonnen, Cannans Einschätzung in Zweifel zu ziehen, wonach sie Forderungen stellen würden, denn wenn sie das vorhatten, worauf warteten sie dann? Gleichzeitig versicherte mir allerdings jeder, den ich darauf ansprach – Destari, Steldor, Galen, London und auch der Hauptmann selbst –, dass dies genau dem üblichen Vorgehen der Cokyrier entsprach. Sie wollten uns offenbar derart zermürben, dass wir, sobald sie sich rührten, bedingungslos auf alle Forderungen eingingen.
Ich besuchte London weiterhin täglich, da es ihm noch nicht gestattet war, sein Zimmer zu verlassen. Zwischen den Visiten begann ich, mich wieder in den Palastalltag einzufinden. So suchte ich Tag für Tag mein Arbeitszimmer auf und kam meinen Verpflichtungen nach. Die Untergebenen, mit denen ich zu tun hatte, benahmen sich mir gegenüber zunächst befangen, erkannten jedoch bald, dass mir an der Rückkehr zur Normalität gelegen war, und reagierten entsprechend.
Als das kühlere Septemberwetter die letzten Spuren des Sommers verwischte, vertiefte ich mich in die gewaltige Aufgabe, meine liegen gebliebene Korrespondenz aufzuarbeiten. Ich hatte schon beinahe zwei Stunden mit Feder und Tinte am Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer zugebracht, doch der Stapel der zu beantwortenden Briefe schien nicht im Geringsten kleiner zu werden. Da klopfte es eindringlich an der Tür. Bevor ich darauf reagieren konnte, war Destari bereits ins Zimmer getreten.
»Eure Hoheit, Ihr müsst Euch sogleich mit mir in Eure Gemächer begeben. Befehl vom Hauptmann.« Verwirrt von dieser Anordnung erhob ich mich und folgte ihm auf den Gang hinaus, wo mich zwei zusätzliche Wachen erwarteten.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich besorgt.
»Das werde ich Euch erklären, sobald Ihr in Euren Gemächern in Sicherheit seid«, erwiderte Destari und geleitete mich in Richtung Prunktreppe.
Wir stiegen in den ersten Stock hinauf und meine schlimmen Vorahnungen wuchsen mit jeder Stufe und jedem Moment, in dem mein Leibwächter schwieg. Als wir unser Ziel erreicht hatten, blieben die beiden Palastwachen auf dem Gang, während Destari und ich den Salon betraten. Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, musterte ich ihn und erinnerte mich, dass eine solche Vorsichtsmaßnahme erst ein Mal ergriffen worden war. Damals hatte die Hohepriesterin um eine Audienz beim König ersucht. Hatten also die Cokyrier endlich den Kontakt zu uns gesucht?
»Nun red schon«, drängte ich.
»Einer unserer Soldaten, die an der Brücke patrouillieren, hat die Nachricht überbracht, dass eine Cokyrierin unterwegs ist, um mit dem König zu sprechen.«
Erleichtert ließ ich mich auf das Ledersofa fallen, wo Kätzchen sich sofort zu mir gesellte und sich an meiner Hand rieb. Doch ich war viel zu abwesend, um ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken.
»Und das bedeutet was? Werden wir jetzt endlich erfahren, warum sie Miranna entführt
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