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Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Titel: Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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schließlich der Universitätsbibliothek von Mount Tabor, an der Monck seinen Abschluß gemacht hatte.
    Mount Tabor ist ein Vorort von Bellwether, einer relativ kleinen Stadt in der südlichen Hemisphäre, acht Zeitzonen entfernt. Der Name der Universität ist etwas irreführend – das Land um Bellwether ist absolut flach. Die Institution wird von der Kirche finanziert, und bei dem ›Berg Tabor‹ handelt es sich um einen biblischen Bezug.
    Nachdem Chase von ihrem Gespräch mit Thaxter zurückgekehrt war, klinkten wir uns sofort bei der KI ein, die nach Schalterschluß die Universitätsbibliothek betreute. (In Bellwether dämmerte es gerade.) In der Inventarliste war weder unter Monck noch unter Parrini unveröffentlichtes Material verzeichnet.
    Als sie am Morgen öffneten, waren wir schon da. Der junge Assistent, an den wir uns mit unseren Fragen wandten, sah in seinen Datenbanken nach und schüttelte nach jedem Eintrag den Kopf. Kein Monck. Kein Parrini. Tut mir leid. Wir würden Ihnen gern helfen. Genau dasselbe hatte auch die KI gesagt, doch mit Menschen kann man leichter verhandeln.
    Wir beharrten darauf, daß die Unterlagen irgendwo sein müßten, und der junge Mann seufzte und verwies uns an eine dunkelhäutige Frau, die noch größer war als Chase. Sie hatte vorstehende Wangenknochen, schwarzes Haar und eine hektische Art, die andeutete, daß ihre Zeit äußerst wertvoll sei. »Wenn irgend etwas eintrifft«, sagte sie, keine Widerrede zulassend, »werden wir Sie sofort benachrichtigen.« Sie wandte sich schon wieder ab. »Bitte lassen Sie Ihren Kode am Schalter zurück.«
    »Wenn sie jetzt nicht hier sind«, sagte ich, »treffen sie auch nicht mehr ein. Parrinis Papiere wurden der Universität vor über zwanzig Jahren gestiftet.«
    Sie blieb stehen. »Ich verstehe. Na ja, das war vor meiner Zeit, und offensichtlich sind sie nicht hier. Sie verstehen sicher, daß wir viele Schenkungen bekommen, wie Sie sie beschrieben haben. Normalerweise handelt es sich um Material, mit dem die Erben nichts mehr anfangen können. Doch in unserer Trauer, Mr. Benedict, neigen wir dazu, die Bedeutung des gerade Dahingeschiedenen zu überschätzen … Vielleicht versuchen Sie es einmal in der Literarischen Stiftung.«
    »Ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie uns helfen könnten«, beharrte ich. »Und ich würde Sie gern für Ihre Zeit bezahlen.« Ich hatte noch nie zuvor versucht, jemanden zu bestechen, und kam mir dabei unbeholfen vor. Ich warf Chase einen Blick zu, die Mühe zu haben schien, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Ich würde Ihr Geld gern nehmen, Mr. Benedict. Doch es würde Ihnen wirklich nicht helfen. Wenn sie nicht im Inventar verzeichnet sind, haben wir sie nicht. So einfach ist das.«
    Ich fragte mich laut, ob es nicht zu Unannehmlichkeiten kommen würde, falls der Aufsichtsrat von Mount Tabor erführe, daß seine Bibliothekare so sorglos mit der Hinterlassenschaft Charles Parrinis umgegangen seien, und sie meinte, ich solle ruhig die Schritte einleiten, die ich für nötig hielte.
    »Das war wohl das Ende der Fährte«, sagte ich zu Chase, als wir wieder im Arbeitszimmer waren. Sie nickte, und wir erhoben uns von den Stühlen, auf denen wir den größten Teil der vergangenen zwei Tage verbracht hatten. Mitternacht war schon längst vorbei.
    »Gehen wir kurz an die frische Luft«, sagte sie und drückte die Finger auf ihre Schläfen.
    Draußen schlenderten wir verdrossen einen Waldweg entlang. »Ich glaube, es ist an der Zeit, die ganze Sache abzuschreiben«, sagte ich.
    Sie sah starr geradeaus und sagte nichts. Die Nachtluft war stechend kühl, tat uns aber gut. Wir gingen vielleicht eine halbe Stunde. Sie schien mit irgend etwas beschäftigt zu sein, während meine Erleichterung, daß es vorbei war, allmählich nachließ und mir Chase’ langbeinige körperliche Gegenwart immer deutlicher bewußt wurde.
    »Ich weiß, wie frustrierend das für Sie sein muß«, sagte sie plötzlich.
    »Ja.« Wir schauten uns direkt in die Augen, und ich nahm ihren Blick in diesem Moment sehr deutlich wahr. »Ich hätte gern ein paar Antworten«, sagte ich schamlos.
    »Es wäre auch schön, den zu erwischen, der diese Spielchen mit Ihnen treibt.«
    »Das auch.« Verdammter Mist.
    Ich versuchte, mein Gewissen zu erleichtern, indem ich mir eingestand, froh zu sein, mich anderen Dingen zuwenden zu können, und fuhr ein paar Minuten lang damit fort, daß ich Gabes Nachlaß gegenüber gewisse Verpflichtungen und auch selbst

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