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Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Titel: Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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ein paar Probleme hätte. Alles Lügen, doch das spielte keine Rolle. Chase hörte sowieso nicht zu.
    »Da fällt mir etwas ein«, unterbrach sie mich, als hätte ich überhaupt nichts gesagt. »Wir wissen, daß Moncks Tochter die Dokumente gestiftet hat. Vielleicht ist die Schenkung unter ihrem Namen katalogisiert worden, und der muß nicht unbedingt Monck gelautet haben. Vielleicht hat die Bibliothek nur keine Querverweise gezogen.«
    Sie hatte recht.
     
    Die Unterlagen selbst waren wie die Dokumente in Mileta in einem Plastikbehälter in einem Lagerraum untergebracht.
    Die große, dunkelhäutige Bibliothekarin wandte kurz ein, das Material stünde der Öffentlichkeit nicht zur Einsicht zur Verfügung, gab aber schnell nach, als ich erneut drohte, mich an ihre Vorgesetzten zu wenden, diesmal mit beträchtlich detaillierteren Vorwürfen.
    Sie ließ den Behälter in einen Nebenraum bringen, und als wir dort eintrafen, lag sein Inhalt bereits auf ein paar Tischen. Der junge Assistent, den wir am Tag zuvor kennengelernt hatten, wurde uns zugeteilt, um Datenspeicher zu laden, Manuskripte ins Licht zu halten, Seiten umzublättern und all die anderen körperlichen Aufgaben zu erledigen, die eine Stirnband-Projektion nicht selbst wahrnehmen kann. Er war sehr hilfsbereit und geduldig bei einer Arbeit, die ihn schnell langweilen mußte, und insgesamt das genaue Gegenteil seiner Vorgesetzten. Ich vermutete, daß auch er leicht von Chase beeindruckt war.
    Wir verbrachten zwei Tage mit der Durchsicht des Materials. Ein beträchtlicher Teil davon bestand aus Korrespondenz, sowohl Briefe, die Walford Candles geschrieben, wie auch solche, die er empfangen hatte. Sie befanden sich auf Kristallen, auf einigen alten Spulen und Zylindern und Fasern, die heute nicht mehr gebräuchlich sind, in Lichtblock-Speichern und auf Papier. »Das wird ein Problem geben«, sagte Chase. »Wir werden den größten Teil dieses Zeugs nicht selbst lesen können, und wo findet man heute noch ein Lesegerät, das so was akzeptiert?« Sie hielt einen Würfel hoch und drehte ihn im Licht. »Ich bin mir nicht mal sicher, ob das überhaupt eine Datenspeichereinheit ist.«
    »Die Universität wird die Geräte dafür haben«, sagte ich und wandte mich dem jungen Mann zu, der zögernd nickte.
    »Wir haben Lesegeräte für die meisten Systeme«, stimmte er zu.
    In aller Ehrlichkeit muß ich eingestehen, daß es keine leichte Aufgabe war, diese Briefe durchzugehen. Als Candles’ Reputation wuchs, beschränkte sich seine Korrespondenz nicht mehr auf den engeren Freundeskreis. Parrini hatte Kommunikationen von beiden Sims aufgetrieben, von den meisten Menschen, deren Namen in den Geschichtsbüchern über diese Epoche stehen, von Staatsmännern und Soldaten, die im Krieg gekämpft hatten, von Waffenfabrikanten und Sozialreformern, von Theologen und Opfern. Es war sogar die Beschreibung einer Graduierung auf Khaja Luan vorhanden, bei der Tarien Sim eine gefeierte Rede hielt. Unter normalen Umständen hätte er das Podium für sich allein gehabt, doch in diesem Fall erschien auch der ashiyyurische Botschafter, um seine Auffassung zu verdeutlichen. Und die Übersetzerin des Außerirdischen war Leisha Tanner!
    »Diese Frau«, kommentierte Chase, »mochte es wirklich, auf Tigern zu reiten.«
    Candles beschrieb einer in Vergessenheit geratenen Korrespondentin gleich das Ereignis. Es datierte ein paar Wochen vor dem Fall der Stadt auf den Klippen: Wenn die Leidenschaft für Feiern irgend etwas zu bedeuten hat, schrieb Candles, sind unsere beiden Kulturen einander vielleicht ähnlicher, als wir es eingestehen möchten. Beide formalisieren Übergänge verschiedener Art, Geburt und Tod und was nicht alles; Sportereignisse, öffentliche Darstellungen der Künste, gewisse politische Funktionen, und das allerletzte Zeremoniell, den Krieg.
    So wirkte trotz allem die mit einer Robe und einer Kopfbedeckung bekleidete Gestalt des Botschafters, die ein gutes Stück von den anderen Würdenträgern entfernt auf einer Bank der Tribüne saß, nicht völlig fehl am Platz. Er saß still da, und der Umhang fiel auf eine Art, die andeutete, daß er die Arme auf dem Schoß hielt. Unter der Kapuze war das Gesicht nicht zu sehen. Selbst an jenem hellen, sonnigen Nachmittag hatte ich den Eindruck, in einen dunklen Tunnel zu sehen.
    Leisha, die sich mit solchen Dingen auskennt, hatte mich darüber aufgeklärt, daß es sich für den Botschafter um ein äußerst gewagtes Erlebnis handelte.

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