Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
wie jede andere.«
Mir fiel der Krückstock auf, der an Wexlers Stuhl lehnte. Möglicherweise ein Souvenir aus Cleevs Kerker.
»Mikel«, wandte sich Alex an unseren Gesprächspartner, »welches Interesse haben Sie an der Sache?«
»Ich bin ihr auf Samuels begegnet. Als sie abreisen wollte.«
»Kannten Sie sie da bereits?«
»Ich kannte Bilder. Ich lese ihre Bücher bereits, seit sie angefangen hat zu schreiben. Normalerweise gebe ich das nicht gern zu, aber … Nun ja, wie auch immer, ich wusste, dass sie in der Gegend war, und ich wusste, dass sie bald abreisen würde.« Er saß auf einem mit dunklem Stoff bespannten Stuhl. Hinter ihm befanden sich zwei Fenster, deren Blick vermutlich hinaus über den Campus ging. »Ich habe dafür gesorgt, dass ich zum rechten Zeitpunkt auf der Station war.«
»Hatten Sie Gelegenheit, mit ihr zu sprechen?«
»Ja. Für ein paar Minuten.«
»Welchen Eindruck hat sie auf Sie gemacht?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wirkte sie beunruhigt? Deprimiert?«
»Ganz und gar nicht! Sie war ganz anders, als ich es erwartet hatte. Ich dachte, jemand der Horrorromane schreibt, müsse … na ja, Sie wissen schon! Aber so war sie nicht. Absolut nicht.« Er lächelte. »Sie war geistreich, eine angenehme Gesellschaft. Ich habe natürlich so getan, als sei ich zufällig auf der Station, und sie gefragt, ob sie tatsächlich Vicki Greene sei. Sie können sich ja vorstellen, wie das läuft. So sind wir ins Gespräch gekommen, und sie hat sich von mir zu einem Drink einladen lassen.«
»Darf ich fragen, worüber Sie gesprochen haben, Mikel?«
Das Lächeln wurde strahlender. »Darüber, wie viel Spaß es ihr macht, die Szenen niederzuschreiben, die ihre Leser zu Tode erschrecken. Sie hat tatsächlich gekichert, als sie mir erzählt hat, wie sie dann dasitzt und sich die wirklich aufregenden Passagen selbst laut vorliest.« Er schüttelte den Kopf. »Was für ein Verlust!« Er schwieg eine Minute lang, und auch Alex sagte nichts. Dann fuhr Wexler fort: »Ich bin froh, dass Sie der Sache nachgehen. Ich glaube, es gibt eine ganze Menge Leute, die gern erfahren würden, warum sie so etwas getan haben mag. Aber ich muss gestehen, ich bin neugierig. Sie sind von so weit her gekommen. Hat ihre Familie Sie mit den Nachforschungen beauftragt?«
»Nein«, erwiderte Alex. »Sie hatte mich um Hilfe gebeten. Ich fühle mich also verpflichtet.«
»Natürlich! Nun gut, ich hoffe wirklich sehr, dass Sie eine Antwort finden.«
Alex beugte sich vor. »Mikel, können Sie mir sagen, ob während ihres Aufenthalts etwas Ungewöhnliches vorgefallen ist?«
»Nein«, antwortete er. »Aber wir haben uns nicht gerade ausgiebig unterhalten.« Er griff zu seinem Krückstock. Legte ihn über seine Knie. »Wäre etwas passiert, als sie hier war, dann hätten die Medien es sicher aufgegriffen!«
»Wir haben die Archive überprüft. Da war nichts.«
»Dann nehme ich an, es ist auch nichts vorgefallen. Sie ist eine Berühmtheit, Alex! Sogar hier draußen! Ihre Bücher verkaufen sich auf allen Kontinenten. Die Leute lieben sie. Ich zögere ein wenig, Ihnen das zu sagen, da Sie von so weit her kommen, aber es würde mich wirklich überraschen, sollte das, was Vicki Greene zu diesem Schritt getrieben hat, nicht irgendetwas mit ihrer Familie oder einem persönlichen Problem aus ihrem Umfeld zu tun haben. Vielleicht eine tragische Liebesgeschichte. Irgendwas in dieser Art.«
»Vermutlich haben Sie Recht, Mikel.« Alex sah sich zu mir um. »Hast du noch was, Chase?«
»Ja«, sagte ich. »Mikel, darf ich fragen, warum Sie Kontakt zu uns aufgenommen haben?«
»Ich habe von verschiedenen Seiten gehört, dass Sie Nachforschungen über Ms Greene anstellen, und ich wollte wissen, warum sie getan hat, was sie getan hat.« Er lächelte. »Außerdem war das eine gute Gelegenheit, Sie und Alex kennen zu lernen. Ich genieße es stets, die Bekanntschaft prominenter Persönlichkeiten zu machen.«
»Ehe wir zum Geisterwald aufbrechen …« Alex konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, »… möchte ich dir noch etwas zeigen!«
»Und das wäre?«
»Sieh es dir an!«
Er verdunkelte den Raum, und wir glitten auf einen Berg zu. Es war früher Abend, die Sonne stand kurz über dem Horizont, die künstliche Beleuchtung wurde gerade eingeschaltet.
»Städte«, stellte ich fest. »Ist etwas Besonderes an diesen Orten?«
»Das ist das Heimatschutzprojekt«, sagte Alex.
»Und das soll was sein?«
»Ich habe dir doch von den Vorfällen mit
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