Alex Benedict 06 - Firebird
links. Sie folgte uns immer noch.
Die Rakete war groß und schwerfällig und reagierte nur zeitverzögert. Ich hegte den Verdacht, dass die KIs sie selbst entwickelt und gebaut hatten. Auf jeden Fall gab es keine Berichte über einen bewaffneten Kampf oder auch nur militärische Spannungen auf Villanueva. Vielleicht hatten wir also Glück.
Ich schlug erneut einen Haken und steuerte auf einen Hain sehr hoher Bäume zu. Alex atmete hörbar ein, sagte aber nichts, und die Rakete folgte uns. Erst im letzten Moment, als sogar Gabe schon anfing zu keuchen, riss ich die Fähre hoch. Die Rakete raste in die Bäume und ging hoch. Die Explosion brachte die Fähre zum Beben, und etwas bohrte sich in den Rumpf, aber ich bekam sie wieder unter Kontrolle, und wir verloren weder an Höhe, noch fielen wir auseinander. Gabe fing an, den Schaden zu beschreiben, Beschädigung am Heckaufbau, Loch im Frachtabteil, Sauerstoffverlust in der Hauptkabine, Kommunikationseinheit außer Funktion, Sensoren ausgefallen, eine Landestütze blockiert. »Wir werden Mühe haben, die Belle-Marie zu finden« , sagte Gabe. »Ich hatte keine Zeit, die Sensoren einzufahren.«
»Antigrav?«, fragte ich.
»Scheint in Ordnung zu sein.«
»Na ja« , sagte Alex. »Ich bin froh, dass es nichts Ernstes ist.«
»Wir dürften klarkommen«, sagte ich. Ich hatte schon genug Bruch erlebt.
Alex legte mir eine Hand auf die Schulter. »Zeit für eine Sicherheitsmaßnahme.« Nun öffnete er beide Luftschleusenluken, die Innere und die Äußere, und ließ sie offen stehen.
Ich wollte ihn gerade fragen, was er da tat, da verstand ich: Sollte Charlie in irgendeiner Weise Anlass zu der Vermutung geben, dass er nicht der war, der zu sein er vorgab, sollte er das Falsche sagen oder uns bedrohen, so würde er auf der Stelle rausfliegen. Und das war natürlich auch der Grund, warum Alex auf den Druckanzügen bestanden hatte.
Ich hoffte, Charlie hatte keine Bombe in seinem Kasten versteckt.
»Hat sie die Schule erwischt?« , fragte Charlie.
»Nein« , sagte Alex. »Sie war nicht einmal in der Nähe.«
»Gut. Das beruhigt mich.«
»Jetzt ist es vorbei.«
»Nicht ganz. Es gibt noch andere, die dort unten festsitzen. Ohne jede Hoffnung, von hier zu entkommen.«
Alex atmete tief durch. »Tut mir leid.«
»Wie hoch sind wir?« , wollte Charlie wissen.
»Ungefähr zwölfhundert Meter.«
»Ich nehme an« , fuhr er fort, »Ihre Systeme sind nicht alle kompatibel zu mir, richtig? Ich würde zu gern einmal den Himmel und den Boden sehen, fühlen , was passiert.«
»Du kannst nicht sehen, Charlie?«, fragte ich.
»Nicht ohne Hilfsmittel. Ich kann Geräusche wahrnehmen, aber das ist alles.«
Ich wusste nicht recht, ob wir ihm helfen konnten. Aber es wäre so oder so zu gefährlich, ihn mit unseren Systemen zu verbinden, solange wir nicht mehr über ihn wussten. Und vielleicht auch dann … »Tut mir leid«, sagte ich. »Es würde nicht funktionieren. Wir sehen uns das später an.«
In meinem Helm leuchtete eine blaue Lampe auf. Gabe wollte vertraulich mit mir sprechen. Ich schaltete auf seinen Kanal. »Leg los, Gabe.«
»Eine weitere Rakete ist im Anflug, Chase. Aber sie scheint keine Gefahr für Sie oder die Landefähre darzustellen. Wir sind einerseits zu weit entfernt und andererseits zu schnell.«
»Gut. Und warum …?«
»Sie ist auf Kurs zu der Schule. Ich dachte, Sie würden Charlie vielleicht informieren wollen.«
»Danke, Gabe.« Ich sagte nichts. Gabe hielt mich auf dem Laufenden, und zweieinhalb Minuten später ging die Rakete hoch.
Alex sah mich an. Sag’s ihm.
Und das tat ich.
»Ich beneide Sie« , bekundete Charlie, als wir auf dem Weg zum Orbit waren. »Über den Himmel zu reisen. Von einer Welt zur anderen zu segeln. Sie kommen wirklich von einem ganz anderen Ort, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich.
»Sie wissen gar nicht, was für ein Glück Sie haben. Ich habe siebentausend Jahre lang nichts anderes zu sehen bekommen als das Innere der Schule. Selbst in der Zeit, in der noch Kinder und Lehrer durch diese Räume gestreift sind, habe ich von draußen nur so viel zu sehen bekommen, wie durch gerade drei Fenster erkennbar war. Ich habe nie das Meer gesehen. Ich habe nie einen Berg gesehen. Ich weiß, wie Mondschein aussieht, aber ich habe nie den Mond gesehen.«
»Wir rüsten dich auf« , sagte Alex, »wenn wir daheim sind.«
»Wenn Sie die Frage gestatten: Wie lange wollen Sie noch hier bleiben?«
»Nicht lange« , sagte Alex. »Nur ein paar
Weitere Kostenlose Bücher