Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
paar Leute lachten. In welcher Welt lebten wir?
In der Tat – was für ein Zirkus.
Der Clown trat in den Zeugenstand. Sofort rief Richter Fescoe die Staatsanwältin und den Verteidiger zu sich. Eine hitzige Diskussion entbrannte, von der wir jedoch kein Wort verstehen konnten. Offensichtlich wurde die Frage, ob Clown oder nicht, zugunsten der Verteidigung entschieden. Nachdem der Clown den Eid abgelegt hatte, sollte er ordnungshalber seinen Namen nennen.
Die Hand im weißen Handschuh erhoben, erklärte er: »Billy.«
»Den Familiennamen, bitte«, sagte der Gerichtsdiener.
»Vorname Silly, Familienname Billy«, sagte der Clown.
»Silly Billy. Ich habe meinen Namen ganz legal ändern lassen«, vertraute er dem Richter an.
Jetzt übernahm Jules Halpern. Er behandelte den Clown mit Achtung, nahm ihn ernst. Als Erstes bat er ihn, seinen Beruf zu beschreiben, was der Clown höflich tat. Dann fragte Halpern ihn: »Und was führt Sie heute hierher?«
»Ich habe eine Party für Mr. Shafer draußen in Kalorama veranstaltet, an dem schicksalhaften und schrecklichen Abend des Mordes. Es war der fünfte Geburtstag seiner Zwillinge. Ich hatte schon einmal eine Party für sie gemacht, als sie vier wurden. Ich habe ein Video mitgebracht. Wollt ihr es sehen?«, rief er, als spräche er zu einer Gruppe Dreijähriger.
»Selbstverständlich«, antwortete Jules Halpern.
»Einspruch!«, rief Catherine Fitzgibbon.
Gegen den Einspruch der Staatsanwaltschaft und nach längerer Diskussion zwischen Richter und Anwälten wurde das Video zugelassen. Die Zeitungen hatten behauptet, Richter Fescoe sei von Jules Halpern eingeschüchtert. Das schien der Fall zu sein.
Zu Anfang des Bandes wurde die Nahaufnahme eines Clowngesichts gezeigt. Als die Kamera zurückbewegt wurde, sahen alle im Gerichtssaal, dass es das Schild an Silly Billys Van war, der vor einem schönen roten Backsteinhaus mit angebautem Wintergarten parkte. Das Haus der Shafers.
In der nächsten Szene klingelte Silly Billy und überraschte offensichtlich die Kinder an der Tür.
Wieder erhob die Staatsanwaltschaft Einspruch gegen das Video. Wieder gab es Diskussionen vor dem Richtertisch. Die Anwälte kehrten auf ihre Plätze zurück, und das Band lief weiter.
Die anderen Kinder bei der Geburtstagsparty rannten zur Tür. Der Clown verteilte Spielzeug aus dem Sack, den er über der Schulter trug: Teddybären, Puppen, glänzende rote Feuerwehrautos.
Dann führte Silly Billy auf der Sonnenterrasse, von der man in den Garten hinter dem Haus blicken konnte, Zauberkunststücke und Taschenspielertricks vor. Der Garten war sehr schön, mit Orangenbäumen in Töpfen, weißen Kletterrosen, Jasmin und üppig grünem Rasen.
»Wartet! Ich höre da draußen was!«, sagte der Clown in die Kamera. Dann lief er fort und verschwand.
Alle Kinder schauten ihm nach. In ihren Augen standen Staunen und unschuldige Freude.
Ein cremefarbenes Pony erschien und trabte langsam um die Hausecke. Auf dem Pony ritt Silly Billy.
Doch als der Clown abstieg, stellten die Kinder fest, dass er in Wahrheit Geoffrey Shafer war. Sämtliche Kinder gerieten außer Rand und Band, besonders die Shafer-Zwillinge. Sie rannten zu ihrem Vater und umarmten ihn stürmisch. Er wirkte wie der perfekte Vater.
Dann kamen weitere rührende Bilder der Kinder, wie sie Sahnekuchen aßen und Spiele machten. Es gab auch weitere Aufnahmen von Shafer, wie er lachte und mit einigen Kindern spielte. Ich vermutete, dass Jules Halpern für den letzten Zusammenschnitt des Videobandes verantwortlich zeichnete. Es war sehr überzeugend.
Die erwachsenen Gäste der Party, alle fein herausgeputzt, wirkten sehr gebildet und legten ein beredtes Zeugnis ab. Sie erklärten, dass Geoffrey Shafer und seine Frau beispielhafte Eltern seien. Shafer trug nicht mehr das Clownskostüm, sondern einen eleganten dunkelblauen Anzug. Bescheiden wehrte er das Lob ab. Er trug denselben Anzug wie bei seiner Festnahme im Farragut.
Das Band endete mit den lächelnden, hübschen Zwillingen, die in die Kamera blickten und erzählten, dass sie Mom und Daddy sehr liebten, weil sie für die beiden »einen Traum wahr gemacht« hätten. Dann flammten im Saal die Lichter auf. Der Richter gestattete eine kurze Pause.
Ich war unglaublich wütend, dass man das Video gezeigt hatte. Es zeigte Shafer als großartigen Vater – und tragisches Opfer .
Alle Geschworenen lächelten, auch Jules Halpern. Er hatte meisterhaft argumentiert, dass das Band von ungeheurer
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