Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Wichtigkeit sei, um den Gefühlszustand Shafers kurz vor dem Mord an Patsy Hampton zu zeigen. Halpern war ein so gewiefter Redner, dass sein Wunsch, das Video zu zeigen, logisch klang.
Wie dem auch sei, jetzt war es aktenkundig.
Shafer lächelte übers ganze Gesicht, ebenso seine Frau und sein Sohn. Plötzlich durchfuhr mich der Gedanke, dass Shafer auf der Party für seine Kinder ein fahles Pferd geritten hatte. Er war der Tod der Vier Reiter.
Für ihn war alles – sein ganzes Leben – Theater und Spiel.
M anchmal wollte ich die Augen fest schließen und nichts mehr von diesem Prozess sehen. Ich wollte, dass die Dinge wieder so wären wie vor dem Erscheinen des Wiesels.
Catherine Fitzgibbon leistete bei jedem Zeugen sehr gute Arbeit, aber der Richter schien die Verteidigung zu begünstigen wann immer möglich. Dies hatte mit dem kritischen Ausschließen von Beweismitteln begonnen und setzte sich jetzt fort.
Lucy Shafer betrat den Zeugenstand am frühen Nachmittag.
Die herzerwärmenden Familienbilder der Shafers waren in den Köpfen der Geschworenen immer noch frisch.
Ich hatte mich bemüht, Lucy Shafers seltsame und verwirrende Beziehung zu ihrem Mann zu verstehen, seit ich sie zum ersten Mal in der Nacht des Mordes an Patsy Hampton gesehen hatte. Was für eine Frau konnte mit einem gewissenlosen Ungeheuer wie Shafer leben, ohne es zu wissen? Konnte diese Frau Ahnungen oder gar Wissen derart verdrängen? Oder gab es etwas anderes, das sie dazu motivierte? Irgendetwas, das sie Shafer hörig machte? Ich hatte in meiner Zeit als Therapeut die verschiedensten Arten ehelicher Beziehungen erlebt, doch keine solche.
Jane Halpern nahm die Zeugenbefragung vor. Sie wirkte ebenso zuversichtlich und siegessicher wie ihr Vater. Sie war groß und schlank und hatte ihr drahtiges schwarzes Haar mit einem dunkelroten Band zurückgebunden. Sie war achtundzwanzig und hatte erst vier Jahre zuvor ihr Jurastudium in Yale abgeschlossen, doch sie wirkte älter und klüger.
»Mrs. Shafer, wie lange kennen Sie sich, Ihr Mann und Sie?«
Lucy Shafer sprach mit sanfter, aber klarer Stimme. »Eigentlich kenne ich Geoffrey fast mein gesamtes Erwachsenenleben.
Mein Vater war sein vorgesetzter Offizier in der Armee. Ich glaube, ich war erst vierzehn, als ich Geoff zum ersten Mal traf. Er war neun Jahre älter. Wir heirateten, als ich neunzehn war, nach meinem zweiten Jahr in Cambridge. Während ich für das Examen gebüffelt habe, erschien er einmal in voller Ausgehuniform – blank geputzter Säbel, Orden, glänzende Reitstiefel – mitten in der Bibliothek. Ich saß da in einem Sweatshirt oder sonst einer grauenvollen Kleidung und hatte meine Haare nicht gewaschen. Geoff aber sagte, das spiele keine Rolle. Ihm war mein Aussehen völlig egal. Er sagte, dass er mich liebe – für immer. Und ich muss Ihnen sagen, dass er sein Versprechen gehalten hat.«
»Wundervoll«, meinte Jane Halpern. Sie schien völlig hingerissen zu sein, als hätte sie die Geschichte nie zuvor gehört.
»Und blieb er so romantisch?«
»O ja, er wurde sogar noch romantischer. Es vergeht keine Woche, in der Geoff mir nicht Blumen mitbringt oder ein schönes Hermès-Tuch. Ich sammle diese Tücher, wissen Sie.
Und dann gibt es noch unsere ›Aua‹-Ausflüge.«
Jane Halpern zog die Brauen hoch, und ihre dunkelbraunen Augen zwinkerten. »Was sind ›Aua‹-Ausflüge?«, fragte sie mit der übertriebenen Neugier einer Moderatorin im Frühstücksfernsehen.
»Geoff fliegt mit mir nach New York, Paris oder London, und ich darf mir so viele Kleider kaufen, bis er ›aua‹ sagt. Er ist wirklich sehr, sehr großzügig.«
»Also ist er ein guter Ehemann?«
»Der beste, den man sich vorstellen kann. Er arbeitet sehr hart, aber nicht so sehr, dass er seine Familie vernachlässigt.
Die Kinder beten ihn an.«
»Ja, das zeigt der Film, den wir heute Morgen gesehen haben, Mrs. Shafer. War die Party ein außergewöhnliches Ereignis?«
»Nein. Geoff liebt es, Partys zu geben. Er ist immer gut gelaunt und lebensfroh. Voller Spaß und Überraschungen. Er ist ein sensibler und sehr kreativer Mann.«
Ich blickte von Lucy Shafer zur Geschworenenbank. Sie hatte die Geschworenen so in den Bann gezogen, dass diese nicht die Augen von ihr wenden konnten. Lucy Shafer war in der Tat sehr glaubwürdig. Selbst ich hatte das Gefühl, dass sie ihren Mann tatsächlich liebte, und was noch wichtiger war: Sie glaubte offenbar, dass auch er sie liebte.
Jane Halpern nutzte die
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