Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Geschichte lanciert hat, dass Sie ein Verdächtiger sind – was meines Wissens aber nicht zutrifft.«
Ich schaute Coleman an. Ich konnte nicht fassen, was ich gerade gehört hatte. »Ihres Wissens? Was heißt das, Ron?«
Der Staatsanwalt zuckte mit den Schultern. »Wir haben wahrscheinlich Cathy Fitzgibbon auf unserer Seite. Ich halte sie für unsere beste Verteidigerin. Zu ihrer Verstärkung haben wir Lynda Cole und möglicherweise Stephen Apt – ebenfalls Spitzenleute. Damit habe ich für heute alles gesagt.«
Ich wusste, dass diese drei Anwälte einen hervorragenden Ruf genossen, besonders Fitzgibbon. Alle waren noch ziemlich jung, aber unermüdlich, klug und engagiert – so wie Coleman.
»Hört sich so an, als würden Sie sich auf einen Krieg vorbereiten, Ron.«
Er nickte. »Wie ich schon sagte, Jules Halpern ist Shafers Verteidiger. Er verliert nur selten. Und einen so großen Fall wie diesen hat er, soweit ich weiß, noch nie verloren. Der macht alle fertig, Alex.«
Ich blickte direkt in Colemans dunkle Augen. »Wir haben Patsy Hamptons Blut an der Kleidung des Mörders. Wir haben Blut im Abflussrohr des Badezimmers, und ich wette, wir finden heute auch noch Shafers Fingerabdrücke irgendwo in Patsy Hamptons Wagen. Vielleicht entdecken wir sogar den Kleiderbügel aus Draht, mit dem er sie erdrosselt hat, Ron.«
»Ja, Alex. Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich kenne Ihre Frage. Ich habe dieselbe.«
»Shafer hat diplomatische Immunität. Wozu also Jules Halpern?«
»Das ist eine verdammt gute Frage, die wir uns beide gestellt haben. Ich vermute, Halpern ist verpflichtet worden, damit wir sämtliche Anklagepunkte fallen lassen.«
»Wir haben stichhaltige Beweise. Shafer hat Patsy Hamptons Blut selbst im Bad abgewaschen. Im Abflussrohr sind Rückstände.«
Coleman nickte und ließ sich im Sessel zurücksinken. »Ich habe keine Ahnung, warum Jules Halpern hinzugezogen wurde. Aber ich bin sicher, wir werden es bald erfahren.«
»Ich befürchte , wir werden es bald erfahren«, sagte ich.
Ich beschloss, das Revier abends durch den Hinterausgang zu verlassen, falls die Presse mir vorn auf der Alabama Avenue auflauerte. Als ich hinaustrat, tauchte ein kleiner Mann mit beginnender Glatze in einem hellgrünen Anzug hinter der angrenzenden Mauer auf.
»Auf diese Weise kann man leicht erschossen werden«, sagte ich zu ihm und meinte es keineswegs als Scherz.
»Berufsrisiko«, lispelte er. »Erschießen Sie nicht den Überbringer, Detective.«
Er lächelte gequält und reichte mir einen weißen Briefumschlag. »Alex Cross, hiermit händige ich Ihnen eine gerichtliche Vorladung aus. Einen schönen Tag noch, Detective«, sagte er mit seiner hellen Fistelstimme. Danach verschwand er so verstohlen, wie er gekommen war.
Ich riss den Umschlag auf, überflog das Schreiben und stöhnte auf. Jetzt wusste ich, warum sie sich Jules Halpern als Anwalt genommen hatten und wogegen wir kämpfen mussten.
Gegen mich wurde Zivilklage wegen »unrechtmäßiger Verhaftung« und »Rufmord an Colonel Geoffrey Shafer« erhoben.
Die Schadensforderung betrug fünfzig Millionen Dollar.
A m nächsten Morgen wurde ich in die Büros der Justizbehörde des Distrikts Columbia zitiert. Das bedeutete nichts Gutes, da war ich sicher. Der Chef des Rechtsamtes der Stadt, James Dowd, und Mike Kersee von der Staatsanwaltschaft saßen bereits in den tiefen roten Ledersesseln, wie auch Chief Pittman, der von seinem Parkettsitz aus eine beachtliche Show abzog.
»Wollen Sie mir etwa erzählen, dass Shafer die Strafverfolgung durch ein Gericht vermeiden kann, nur weil er diplomatische Immunität besitzt? Aber er kann unser Zivilrecht in Anspruch nehmen und Schutz gegen unrechtmäßige Verhaftung und Rufmord bekommen?«
Kersee nickte und schnalzte mit der Zunge. »Jawohl, genau so ist es. Unsere Botschafter und deren Mitarbeiter genießen die gleiche Immunität in England und überall sonst auf der Welt. Kein noch so großer politischer Druck wird die Briten dazu bringen, die diplomatische Immunität aufzuheben. Shafer ist ein Held aus dem Falklandkrieg und innerhalb des Geheimdienstes hoch geachtet. Allerdings scheint er in letzter Zeit in irgendwelchen Schwierigkeiten zu stecken.«
»Was für Schwierigkeiten?«, fragte ich.
»Das sagt man uns nicht.«
Pittman setzte den Anwälten weiter zu. »Was ist denn mit dem Komiker von der Baltischen Botschaft? Der das Blutbad im Straßencafé angerichtet hat? Der musste vor Gericht.«
Mike Kersee
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