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Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann

Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann

Titel: Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Washington so viele Menschen hungerten oder nur einmal am Tag etwas zu essen bekamen.
    Ich hatte vor mehreren Jahren wegen meiner Frau Maria in der Suppenküche angefangen. Maria arbeitete als Sozialarbeiterin in St. Anthony’s, als wir uns kennen lernten. Alle liebten sie und sie liebte mich. Nicht weit von der Suppenküche entfernt hatte man sie aus einem fahrenden Auto heraus erschossen – ermordet. Wir waren vier Jahre verheiratet und hatten zwei kleine Kinder. Der Fall wurde nie gelöst, und das quält mich noch immer. Vielleicht treibt mich das dazu an, jeden Fall zu lösen, ganz gleich wie schlecht die Chancen stehen.
    In der Suppenküche von St. Anthony’s sorge ich dafür, dass es während der Mahlzeiten nicht zu Schlägereien kommt oder jemand Ärger macht. Ich bin knapp eins neunzig groß und wiege fast zwei Zentner; deshalb habe ich die richtige Figur zum Friedenbewahren – falls nötig, auch zum Friedenerzwingen. Für gewöhnlich kann ich mit ein paar ruhigen Worten und ohne Drohgebärden größeren Ärger verhindern. Außerdem sind die meisten Menschen hier, um zu essen, nicht um sich zu prügeln oder anderweitig Zoff zu machen.
    Ich gebe jedem, der Nachschlag will, Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade. Jimmy Moore, der irischstämmige Amerikaner, der die Suppenküche mit viel Liebe leitet – und genau dem richtigen Maß an Disziplin –, hat stets an die heilsame Wirkung von Erdnussbutter und Marmelade geglaubt.
    Ein paar Stammkunden nennen mich den »Erdnussbutter-Mann«. Und das seit Jahren.
    »Sie sehen heute nicht besonders gut aus«, sagte eine kleine dicke Frau, die seit ein oder zwei Jahren in die Küche kommt.
    Ich weiß, dass sie Laura heißt, in Detroit geboren ist und zwei erwachsene Söhne hat. Früher arbeitete sie als Haushälterin in der M Street in Georgetown, bis die Familie, bei der sie beschäftigt war, zu der Ansicht gelangte, dass ihre Haushälterin zu alt für die Arbeit sei und Laura mit einer Abfindung von zwei Wochenlöhnen und warmen Dankesworten auf die Straße setzte.
    »Sie verdienen was Besseres. Sie verdienen mich «, sagte Laura und lachte schelmisch. »Was meinen Sie?«
    »Laura, Ihre Komplimente sind einfach zu liebenswürdig«, sagte ich und gab ihr eine Extra-Portion. »Im Übrigen haben Sie doch Christine kennen gelernt und wissen, dass ich vergeben bin.«
    Laura kicherte und schlang die Arme um sich. Sie hatte ein schönes, aufrichtiges Lachen, sogar unter diesen Umständen.
    »Ein junges Mädchen muss nun mal träumen, wissen Sie. Es ist immer eine Freude, Sie zu sehen.«
    »Mir geht’s genauso, Laura. Ich freue mich auch immer, Sie zu sehen. Guten Appetit.«
    »Danke. Sie können ja zugucken, wie’s mir schmeckt.«
    Während ich fröhliche Grußworte tausche und reichliche Portionen Erdnussbutter und Marmelade auftische, gestatte ich mir, an Christine zu denken. Wahrscheinlich hatte Laura Recht.
    Vielleicht sah ich heute tatsächlich nicht besonders gut aus.
    Wahrscheinlich schon seit mehreren Tagen nicht.
    Ich erinnerte mich an einen Abend vor zwei Wochen. Ich hatte gerade einen Fall von Mehrfachmorden in Boston abgeschlossen. Christine und ich standen auf der Veranda vor ihrem Haus draußen in Mitchellville. Ich bemühte mich, mein Leben anders zu führen, aber es war nicht leicht. Einer meiner Lieblingssprüche lautet: Das Herz leitet den Kopf.
    Ich roch den Duft der Blumen in der Abendluft. Rosen und Levkojen blühten in Hülle und Fülle. Ich roch auch Gardenia Passion, Christines Lieblingsparfüm, das sie an jenem Abend trug.
    Wir kannten uns anderthalb Jahre. Ich war Christine bei der Aufklärung von Mordfallen begegnet – eine Ermittlung, die mit der Ermordung ihres Mannes geendet hatte. Im Lauf der Zeit gingen wir aus und lernten uns besser und besser kennen.
    Für mich sah Christine immer so gut aus, dass mir beinahe schwindlig wurde. Sie ist ziemlich groß, fast eins fünfundsiebzig, und das ist bei meiner Größe prima. Sie hat ein strahlendes Lächeln, mit dem sie vermutlich das halbe Land erleuchten konnte. An jenem Abend trug sie enge verblichene Jeans und ein weißes T-Shirt, das sie in der Taille geknotet hatte. Sie war barfuß, und die Nägel waren rot lackiert. Ihre wunderschönen braunen Augen glänzten.
    Ich schloss sie in die Arme, und plötzlich schien die ganze Welt in Ordnung zu sein. Die anderthalb Jahre, die ich sie kannte, schienen nur zu diesem Abend hingeführt zu haben. Ich vergaß völlig den schrecklichen Fall, den

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