Alex Cross 07 - Stunde der Rache
fünfzehn oder zwanzig Metern herab.
Gleich darauf waren die Zauberer verschwunden – das vor Staunen stumme Publikum klatschte begeistert.
Auch William und Michael applaudierten. Die Wahnsinnsgeschwindigkeit, mit der die Hydraulik arbeitete, beeindruckte William sehr.
Wieder erschienen Daniel und Charles. Die Magier führten zwei kleine Elefanten, einen weißen Hengst und einen prächtigen Bengalischen Tiger auf die Bühne.
»Das bin ich«, flüsterte William seinem Bruder Michael ins Ohr. »Ich bin diese schöne Katze. Ich bin dicht an Daniels Seite. Er sollte lieber vorsichtig sein.«
Aus den Lautsprechern ertönte Led Zeppelins »Stairway to Heaven« in digital bearbeiteter Fassung. Die Musik war ebenso berauschend wie die visuellen Eindrücke. Ein starkes Entlüftungssystem vertrieb die Gerüche von tierischem Urin und Kot. Eine einigermaßen angenehme Duftkomposition mit Mandelaroma wurde in den Raum gepumpt.
Inzwischen stritten sich die beiden Magier auf der Bühne über irgendetwas.
William beugte sich zu einem jungen Paar hinüber, das sich gerade links neben ihn an einen kleinen Tisch gesetzt hatte. Die Frau und der Mann waren beide Mitte zwanzig. Er erkannte sie auf Anhieb von einer Top-Show aus dem Fernsehen und konnte sich nicht entscheiden, wer von den beiden besser aussah. Sie waren raffiniert gekleidet und sehr selbstsicher. Er wusste, dass sie Andrew Cotton und Dara Grey hießen. Zum Teufel, er hatte in seiner Freizeit die Klatschspalten der Regenbogenpresse gelesen.
»Ist es nicht verblüffend?«, fragte er. »Ich liebe Magie. Es ist so spannend und komisch . Das ist einfach hinreißend.« Die Frau blickte in seine Richtung. Dara Grey wollte ihn gerade zurechtweisen, als sie William in die Augen schaute. Und da hatte er sie schon! Einfach so! Erst danach machte William sich die Mühe, sie genauer zu mustern: das enge metallischblaue Kleid, ein ausgefallener Gürtel, eine bestickte FendiTasche. Hübsch, ausgesprochen hübsch. Er wollte sich mit ihr stärken.
Sie würde ein ausgesprochener Leckerbissen sein.
Und jetzt würde er ihren Freund verführen. Andrew, lieber süßer Andrew.
Danach – würden sie gemeinsam bis zum Morgengrauen feiern.
32
D ie beiden Magier setzten auf der Bühne ihre Streitereien gnadenlos fort. Williams Augen glitten zu den grellen Lichtern und dem lautstarken Streit. Unwillkürlich musste er lächeln. Die Magier gehörten ebenfalls zu diesem Abend. Sie spielten sogar eine große Rolle, waren verdammt wichtig.
Daniel und Charles waren Anfang vierzig. In gewisser Weise sahen sie gut aus. Vor allem in den Augen des sehr unterschiedlichen Publikums in Vegas.
Daniel sprach zum Publikum, als sei er ein Anwalt der Verteidigung, der geschickt die Geschworenen auf seine Seite ziehen wollte. Er schwenkte ein langes glänzendes Schwert, um seine Worte zu unterstreichen.
»Wir sind Performance-Künstler, möglicherweise die besten der Welt. Wir sind im Madison Square und im Winter Garden in New York aufgetreten, im Magic Castle und dem Palladium in London, ferner im Crazy Horse Saloon in Paris. Wir haben in Frankfurt, Sidney, Melbourne, Moskau und Tokio für Schlagzeilen gesorgt.«
Charles schien sich bei den sich selbst lobenden Worten seines Partners zu langweilen. Er setzte sich an den Rand der Bühne und gähnte, bis man seine Mandeln sehen konnte. »Dein Stammbaum interessiert hier niemand, Daniel«, unterbrach ihn Charles schließlich. »Die meisten Schwachköpfe hier kennen nicht mal den Unterschied zwischen Houdini und Siegfried und Roy. Führ einen billigen Trick vor! Deshalb sind sie gekommen. Tricks sind für Kinder, und alle hier sind Kinder. Zeig ihnen einen Trick! Einen billigen, raffinierten Trick.« Unvermittelt richtete Daniel die Schwertspitze auf den Partner und fuchtelte bedrohend mit der Klinge. »Ich warne dich, Dummkopf!«
William blickte zu dem Paar am Nebentisch. »Dieser Teil ist
wirklich gut«, flüsterte er. »Das können Sie mir glauben.« Er fing den Blick des Mannes auf, aber der Schauspieler wandte schnell die Augen ab. Zu spät. Den habe ich auch. Der Kerl will mir an die Wäsche. Wer könnte ihm das übel nehmen? O Gott, er wollte sich stärken. Gleich jetzt, gleich hier. Auf der Bühne brüllte Daniel jetzt Charles an. »Ich habe die Schnauze voll von deinem arroganten, herablassenden Scheißgehabe, Partner! Ich finde dich zum Kotzen!«
»Pech für dich!« W illiam imitierte die nächsten Worte, die auf der Bühne gesprochen
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