Alex Cross 07 - Stunde der Rache
suchte ich Dr. Prahbu im Krankenhaus auf. Der Arzt untersuchte mich und gab mir widerstrebend die Erlaubnis, wieder zu arbeiten. Aber ich sollte mich in den nächsten Tagen noch unbedingt schonen.
»Und wie sind Sie zu diesen Bissen gekommen?«, fragte er noch mal. »Das haben Sie mir nie gesagt, Detective.« »Doch, das habe ich«, widersprach ich. »Von Vampiren in North Carolina.«
Ich dankte dem Arzt für seine Hilfe, fuhr nach Hause, um für eine Dienstreise nach New Orleans zu packen. Ich hatte noch weiche Knie, konnte es aber nicht abwarten, dorthin zu kommen. Diesmal hielt mich Nana ihrer üblichen Ermahnungen nicht für würdig, als ich Washington verließ. Sie war verärgert, weil ich wegen dieser Bisse so schwer krank gewesen war. Nachmittags traf ich auf dem New Orleans International Airport ein, nahm ein Taxi in die Stadt, die »Big Easy« hieß. An der Rezeption meines Hotels wartete eine Nachricht auf mich. Zögernd öffnete ich das kleine Kuvert, aber es waren gute Nachrichten. Inspector Hughes war auf dem Weg nach New Orleans.
Die Nachricht war klassisch, typisch Jamilla: Komme nach New Orleans, dann kriegen wir sie. Zweifeln Sie keine Sekunde daran.
60
J amilla und ich trafen uns an diesem Abend im Dauphine Hotel. Sie trug eine schwarze Lederjacke, Bluejeans und ein weißes Polohemd und wirkte ausgeruht und bereit, alles zu tun. Ich fühlte mich auch nicht allzu schlecht.
Wir aßen zusammen im Speisesaal zu Abend, Steak und Eier, und tranken Bier, und wie immer genoss ich ihre Gesellschaft. Wir brachten einander zum Lachen. Um halb elf fuhren wir zum »Howl«. Daniel und Charles sollten laut Plan um elf Uhr und ein Uhr nachts auftreten. Und danach? Vielleicht hatten sie wieder eine clevere Nummer geplant, um sich in Luft aufzulösen. Wir waren ganz heiß, sie festzunehmen. Leider brauchten wir stichhaltige Beweise, dass die beiden unsere Serienmörder waren, und daran arbeiteten über hundert FBI-Agenten und die örtliche Polizei. Etwas musste passieren! Vermutlich wollten Daniel und Charles sich bald wieder stärken.
Es war Freitagabend, das »Howl« war beinahe voll, als wir eintrafen. Heiße Musik schallte aus Lautsprechern, die überall an Decke und Wänden zu sein schienen. Das Publikum war überwiegend jung und unruhig. Es wurde Bier getrunken, geraucht, ein bisschen getanzt. Mehrere Grufties saßen inmitten der konservativer gekleideten Collegestudenten. Beide Gruppen musterten sich feindselig. Die Atmosphäre war angespannt. Ein Fotograf der Illustrierten Offbeat hockte vor der Bühne und wartete auf den Beginn der Show der Magier. Jamilla und ich nahmen an einem kleinen Tisch Platz und bestellten Bier. Mindestens ein Dutzend FBI-Agenten waren im Club. Kyle wartete draußen in einem Observierungswagen. Er war gestern Abend drinnen gewesen, aber für Kyle war es schwierig, unter dem überwiegend jungen und etwas ausgeflippten Publikum nicht wie ein böser Finger herauszuragen. Er sah zu sehr wie ein Bulle aus.
Wegen des Rauchs und des schweren Parfüms spürte ich bereits ein Kratzen im Hals. Ein Schluck Bier versöhnte die Kehle. Die Bisswunden an Hand und Arm schmerzten immer noch. Aber mein Kopf war klar. Ich freute mich, dass Jamilla bei mir war. Sie hatte immer einen guten Tipp parat.
»Kyle lässt die Zauberer mit sechs Mann rund um die Uhr beschatten«, teilte ich ihr mit. »Noch mal verlieren sie die beiden nicht. Das hat mir Kyle garantiert.«
»Und das FBI hält sie eindeutig für die Mörder?«, fragte Jamilla. »Kein Zweifel möglich? Einsperren und den Schlüssel wegwerfen?«
»Na ja, vermutlich besteht leichter Zweifel. Man weiß nie genau, was Kyle denkt«, sagte ich. »Ja, ich glaube, er ist sicher, ebenso die Leute in Quantico und ich.«
Sie betrachtete mich über den Rand der Bierflasche. »Klingt, als wären Sie beide ziemlich eng befreundet, ja?«
Ich nickte. »In den letzten Jahren haben wir viele Fälle gemeinsam bearbeitet. Unsere Erfolgsrate ist gut. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich ihn wirklich kenne.«
»Ich hatte nie viel Glück, wenn ich mit dem FBI zusammenarbeiten musste«, gestand sie. »Aber das liegt wohl an mir.« »Zu meiner Arbeit gehört, dafür zu sorgen, dass die Beziehung zwischen dem Bureau und unserer Polizei in Washington möglichst reibungsfrei verläuft. Kyle ist eindeutig hochintelligent. Aber manchmal ist es schwierig, zu ahnen, was in seinem Kopf vorgeht.«
Jamilla trank einen Schluck Bier. »Ganz im Gegensatz zu jemandem
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