Alex Cross 07 - Stunde der Rache
ihnen.«
Vorsichtig bewegten wir uns weiter und kontrollierten sämtliche Kammern. Die meisten wurden offenbar als Lagerräume benutzt. Etliche waren ganz leer, dunkel und unheimlich wie eine Gruft. Vielleicht die passende Atmosphäre, denn auf alle Fälle waren sie gespenstisch.
Mit einem Fußtritt öffnete ich eine Tür. Ich schaute hindurch, Jamilla ebenfalls. Ihr stockte der Atem. Sie öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. »Herrgott, Alex! Was ist da passiert?«
Ich hielt sie am Arm zurück. Ich traute meinen Augen nicht, vermochte es nicht zu begreifen. Mir wurden die Knie weich. Daniel und Charles lagen auf dem Boden. Sie waren ermordet worden. Mir versagte die Stimme. Kyle trat hinter uns ein, sagte aber auch nichts.
Wir näherten uns den Leichen. Beiden Männern waren die
Kehlen durchgeschnitten worden. Und es gab Spuren tiefer
Bisse, Abdrücke von Fängen.
Und wer war jetzt der Sire?
Vierter Teil
Jagd
75
A m Spätnachmittag des folgenden Tages musste Jamilla zurück nach San Francisco. Sie hatte mehr oder minder eingestanden, dass sie ausgebrannt und ratlos war. Ich fuhr sie zum Flughafen. Auf der gesamten Fahrt sprachen wir über die Morde. Uns wurde bewusst, dass wir beide völlig besessen waren. Die Geschehnisse der letzten Nacht hatten alles total verändert. Wir hatten die mutmaßlichen Mörder gestellt, aber dann waren diese ermordet worden. Der ganze Fall war furchtbar kompliziert und überhaupt eine Riesensauerei, wie man sie sich nicht schlimmer vorstellen konnte. Die Mörder waren nicht unbedingt hochintelligent, aber auf alle Fälle steckten sie voller Überraschungen.
»Und was sind Ihre nächsten Schritte, Alex?«, fragte sie, als
wir zum Flughafen einbogen.
Ich lachte. »Ach, jetzt sind es meine Schritte?«
»Sie wissen schon, wie ich das meine!«
»Ich werde wohl noch einen oder zwei Tage hier bleiben und sehen, ob ich helfen kann. Alle, die in der Villa waren, zumindest die, welche wir erwischt haben, sind im Gewahrsam der Polizei in New Orleans. Eine ganze Menge Abartiger, die alle vernommen werden müssen. Irgendeiner muss doch etwas wissen.«
»Falls Sie was rauskriegen können. Glauben Sie, dass die Kollegen in New Orleans endlich kooperieren? Bis jetzt war das ja wirklich nicht der Fall.«
Ich lächelte. »Sie wissen doch, wie stur Bullen vor Ort sein können. Vielleicht dauert es ein bisschen länger, aber wir kriegen schon, was wir brauchen. Ich bin sicher, dass das auch ein Grund ist, weshalb Kyle will, dass ich bleibe.«
Als ich Kyle erwähnte, verzog sie das Gesicht. Ich wusste, dass sie enttäuscht war, dass sie abfliegen musste. »Ich muss nach Hause, aber ich lasse den Fall nicht auf sich beruhen. Mein Freund Tim beim Examiner arbeitet an einem großen Artikel über die Morde in Kalifornien. Vielleicht hat dort alles angefangen. Denken Sie darüber mal nach.«
»Elf Jahre, vielleicht noch länger«, sagte ich. »Aber wer waren die ersten Mörder? Daniel Erickson und Charles Defoe? Ein anderer im Kult? Gibt es überhaupt einen Kult?« Sie hob die Arme in die Höhe. »Ich habe keinen blassen Schimmer. Ich bin praktisch hirntot. Und jetzt steige ich in meinen Flieger und schlafe bis San Francisco durch.« Wir sprachen noch ein bisschen länger über die Schwierigkeiten dieses Falls. Dann erkundigte ich mich nach diesem Tim
beim Examiner .
»Nur ein Freund«, erklärte Jamilla.
Jamilla und ich gaben uns vor dem für American Airlines reservierten Standplatz der Gepäckwagen die Hände. Dann beugte sie sich vor und küsste mich auf die Wange.
Ich legte meine Hand auf ihren Nacken und hielt sie kurz fest. Das war schön. Wir beide hatten in sehr kurzer Zeit viel Schmerzen und Elend erlebt. Außerdem waren wir in einer lebensbedrohlichen Situation gewesen.
»Alex, wie immer, es war mir eine Ehre«, sagte sie und löste sich. »Danke für die Doughnuts und alles andere.« »Wir bleiben in Verbindung, ja, Jamilla?«
»Absolut. Damit können Sie rechnen. Das meine ich ehrlich, Alex.«
Dann wandte sich Inspector Jamilla Hughes ab und betrat den Flughafenterminal. Sie würde mir schrecklich fehlen, denn ich sah in ihr mittlerweile eine Freundin.
Nachdem sie verschwunden war, fuhr ich zurück ins Büro des FBI, um mich in der Arbeit zu vergraben. Ich sprach mit Kyle alles noch mal durch, was wir hatten. Dann sprachen wir alles noch mal durch, nur um sicherzugehen, dass es wirklich so beschissen war, wie wir glaubten. Wir waren uns einig, dass
wir nicht mal
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