Alex Cross 07 - Stunde der Rache
irgendwelche guten Theorien über den Mord an Daniel und Charles hatten. Wir tappten hoffnungslos im Dunkeln. Bis jetzt hatte nicht einer der Partygäste etwas Brauchbares ausgesagt – vielleicht hatte aber auch niemand etwas gesehen.
»Wer auch immer die beiden umgebracht hat, wollte uns eigen, dass er überlegen ist. Körperlich, geistig und in Bezug auf Skrupellosigkeit«, sagte ich. Aber sicher war ich meiner Sache nicht. Ich hatte nur laut gedacht.
»Ich glaube nicht, dass es ein Zufall war. Das Ganze sieht zu sehr nach einem Zaubertrick aus«, sagte Kyle. »Ist dir das nicht auch aufgefallen, Alex? Irgendeine Verbindung zur Magie?« »Ja, aber es war kein Zaubertrick. Daniel und Charles sind tot – und eine Menge anderer Menschen. Die Spuren führen weit zurück in die Vergangenheit.« »Wir sind bei Null. Willst du das damit sagen?«
»Ja, und das gefällt mir überhaupt nicht«, sagte ich.
76
A n diesem Abend arbeitete ich lange im FBI-Büro. Was war sonst noch neu? Gegen neun Uhr fühlte ich mich einsam und nervös, eigentlich völlig im Arsch.
Ich hatte zu Hause angerufen, aber es war niemand da. Darüber machte ich mir Sorgen, bis mir einfiel, dass meine Tante Tia Geburtstag hatte und Nana in Tias Haus in Chapel Gate, nördlich von Baltimore, die Party ausrichtete.
Ich hatte Tante Tia kein Geschenk gekauft. Verdammt! Verdammt! Seit ich als Kind nach Washington gekommen war, hatte Tante Tia meinen Geburtstag nie vergessen. Nicht ein einziges Mal. Dieses Jahr hatte sie mir die Armbanduhr geschenkt, die ich trug. Ich rief sie an und konnte mit den meisten meiner Verwandten sprechen. Sie neckten mich, dass ich die große Tortenschlacht verpasste, und wollten wissen, wo ich war und wann ich nach Hause käme.
Leider konnte ich ihnen keine zufriedenstellenden Antworten geben. »Sobald ich kann. Ich vermisse euch alle. Ihr habt keine Ahnung, wie Leid es mir tut, dass ich nicht bei euch sein kann.«
Ich beschloss, mir noch mal die Villa der Zauberer anzuschauen, ehe ich ins Dauphine zurückfuhr. Warum verspürte ich diesen Drang? Weil ich besessen war. Zwei Polizisten standen davor. Sie wirkten gelangweilt und unterbeschäftigt, keineswegs besessen.
Ich zeigte meine Dienstmarke, woraufhin man mich hineinließ. Kein Problem, Detective Cross.
Ich war nicht sicher, weshalb ich dieses vage Gefühl hatte, dass wir irgendwas übersehen hatten. Die Spurensuche hatte Stunden im Haus verbracht. Ich ebenfalls. Wir hatten nichts Beweiskräftiges gefunden. Trotzdem war ich nicht gern in dem alten Haus. Die Domäne. Vielleicht brauchte ich Schutz. Ich ging durch das überladen dekorierte Foyer und den Salon. Meine Schritte hallten in dem leeren Haus. Was übersahen wir? Das fragte ich mich immer wieder. Was übersah ich? Das große Schlafzimmer befand sich im oberen Stockwerk am Ende der Treppe. Nichts hatte sich verändert, seit es zum ersten Mal betreten hatte. Warum, zum Teufel, war ich zurückgekommen? Der große Raum war mit moderner Kunst gefüllt, einige Kunstwerke hingen an den Wänden, aber mehrere Gemälde lehnten an den Wänden. Die Zauberer schliefen in einem Bett, nicht in den Särgen, die wir unten in dem Tunnel gefunden hatten.
Als ich den großen Wandschrank noch mal durchsuchte, stieß ich auf etwas, das ich zuvor nicht gesehen hatte. Ich war ganz sicher, dass es bei meiner letzten Durchsuchung nicht hier gewesen war. Zwischen den Schuhen lagen winzige Puppen – Abbilder der Magier.
Schnitte bedeckten Kehle, Brust und Gesichter. Genauso, wie sie ermordet worden waren.
Wie waren diese scheußlichen Puppen hierher gekommen? Was bedeuteten sie? Was ging hier in New Orleans vor? Wer war in die Villa eingedrungen, nachdem wir sie versiegelt hatten? Ich war versucht, Kyle anzurufen, ließ es aber. Ich war nicht sicher, warum.
Allein wollte ich nicht nach unten in den Tunnel gehen – aber da ich schon mal hier war, konnte es nicht schaden, sich mal dort umzusehen. Vor der Tür waren Polizisten postiert, richtig? Was übersahen wir?
Unaussprechlich brutale Morde – seit mindestens elf Jahren. Unsere Hauptverdächtigen waren ermordet worden.
Jemand hatte ihre Abbilder ins Schlafzimmer gelegt.
Ich ging in den Keller, dann in die Tunnel, die vom Hauptgewölbe in unterschiedliche Richtungen abzweigten. New Orleans liegt knapp zwei Meter vierzig unter dem Meeresspiegel, und Keller und Tunnel waren wahrscheinlich ständig feucht. Die Wände schwitzten.
Ich hörte ein scharrendes Geräusch und blieb
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