Alex Cross 07 - Stunde der Rache
gelöst zu sein. Peter Westin war im Gefängnis. Wir hatten wegen seines Kults alles uns Mögliche getan. Der Druck war von uns genommen. Wir hatten die Blutungen gestoppt.
Jamilla war gestern Abend abgereist. Wir hatten uns versprochen, in Verbindung zu bleiben, und das würden wir – da war ich sicher. Am Morgen war ich auf dem Weg zum Flughafen, um meinen Flieger von San Francisco nach Washington, D.C., zu erwischen. Ich flog nach Hause. Und das war ein wirklich gutes Gefühl.
Die Details kamen immer noch herein, aber ich befürchtete, dass wir nie alles über diesen abartigen mörderischen Kult erfahren würden, der in Kalifornien entstanden war. So war das aber fast immer bei Mordfällen. Man wusste nie so viel, wie man gern gewusst hätte. Das ist die einzige und grundlegendste Wahrheit über den Beruf eines Detectives beim Morddezernat. So etwas sieht man nie im Fernsehen oder im Kino. Ich schätze, das Ende wäre nie so befriedigend, wenn es näher an der Realität wäre.
Peter Westin hatte Daniel und Charles kennen gelernt, als diese in Los Angeles aufgetreten waren. Westin hatte bereits eine Schar Jünger in Santa Cruz und Santa Barbara. Er spielte den treuen Anhänger, bis er sich stark genug fühlte, der Sire zu sein. Danach schickte er William und Michael Alexander los, um die Drecksarbeit für ihn zu erledigen. Wir mutmaßten, dass er ungefähr in hundert Städten Jünger hatte, besonders nachdem das Internet die Menschen so mühelos verband.
Etwas störte mich aber immer noch. Ich wusste nicht genau, was, aber es bereitete mir auf der ganzen Fahrt nach San Francisco Kopfzerbrechen. Es nagte innerlich an mir. Angst und
Furcht. Aber wovor?
Der Flug verzögerte sich um fünfundvierzig Minuten. In meinem Kopf schwirrten viele üble Gedanken umher. Ich fühlte mich aufgedreht und nervös.
Die ursprünglichen Vampir-Morde in San Francisco gingen
mir nicht aus dem Kopf.
Und das beschissene Superhirn.
Jamilla war hier in San Francisco. Aber das war ein ganz
anderes Thema.
Was quälte mich?
Dann glaubte ich, es zu wissen. Vielleicht hatte ich es die ganze Zeit über gewusst. Ich rief Jamilla in ihrem Büro im Polizeipräsidium an. Man teilte mir mit, heute sei ihr freier Tag. Ich rief sie zu Hause an, aber keine Antwort. Vielleicht joggte sie die fünf Meilen, mit denen sie mehrmals geprahlt hatte.
Oder sie hatte ein Rendezvous mit Tim Bradley vom Examiner ,
als ob mich das etwas anginge.
Aber vielleicht doch.
Wo war sie?
War ihr etwas zugestoßen, oder litt ich nur an unglaublichem Verfolgungswahn? Ich hatte eindeutig zu hart gearbeitet. Ich wollte jedoch kein Risiko eingehen, lief zum Schalter der American Airlines und annullierte meinen Flug. Ich rief Nana an und sagte ihr, ich müsse noch ein paar Stunden in Kalifornien bleiben, würde aber heute Abend spät nach Hause kommen. »Es könnte sein, dass hier jemand in ernsten Schwierigkeiten steckt«, teilte ich ihr mit.
»Ja, und der jemand bist du«, sagte Nana. »Wiedersehen, Alex.« Sie legte einfach auf. Sie war im Recht, wenn sie mich zu Hause haben wollte, aber ich war im Recht, wenn ich verhindern wollte, dass jemand verletzt wurde.
Ich mietete mir einen Wagen und hatte das Gefühl, tatsächlich den Verstand zu verlieren. Charles Mansons Worte fielen mir ein: Totaler Verfolgungswahn ist nur totale Klarsichtigkeit.
Ich hatte immer geglaubt, dass Manson sich in allen Punkten irrte, aber vielleicht doch nicht. Vielleicht hatte er in Bezug auf Verfolgungswahn ins Schwarze getroffen.
Mein Bauch sagte mir, dass Jamilla Hughes in diesem Augenblick in großer Gefahr sein könnte, und diese Angst vermochte ich nicht abzuschütteln. Ich konnte sie nicht ignorieren, obwohl ich es wollte. Die Vibrationen in meinem Kopf waren zu stark, zu überwältigend. Es war eines meiner berühmten Gefühle, und ich musste ihm folgen.
Ich dachte an meine frühere Kollegin Patsy Hampton – und wie sie ermordet worden war.
Ich erinnerte mich an Betsey Cavalierre – auch ermordet. Und Detective Maureen Cooke in New Orleans.
Schon vor langer Zeit hatte ich als Detective beim Morddezernat aufgehört, an Zufälle zu glauben. Aber dennoch fiel mir
kein logischer Grund ein, weshalb ein psychopathischer Killer
jetzt in Kalifornien Inspector Jamilla Hughes nach dem Leben
trachten sollte.
Ich fühlte es nur.
Totale Klarsichtigkeit.
Da draußen war Superhirn, richtig? Das spürte ich. Ich wartete auf seinen Anruf. Ich war bereit, ihn ein für alle Mal
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