Alex Cross 07 - Stunde der Rache
dachte, Sie wollten heim zu Kind und Kegel. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Sie das täten. Hier ist Ihre Arbeit zu Ende. Sie können nichts mehr tun. Gar nichts. Wir wollen doch nicht, dass Nana und den Kindern irgendwas Schreckliches zustößt, richtig? Das wäre das Schlimmste, das Allerschlimmste, richtig? Das absolut Schlimmste. «
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S ofort rief ich Nana in Washington an. Entweder war sie nicht zu Hause, oder sie war immer noch wütend auf mich und nahm den Hörer nicht ab. Verdammt! Geh ans Telefon, Nana ! Schweiß floss über meine Stirn und den Nacken. Das war der grauenvollste Albtraum, meine schlimmsten Befürchtungen hatten sich erfüllt. Was konnte ich von hier aus tun?
Ich rief Sampson an und bat ihn, sofort zu meinem Haus zu fahren und mich von dort anzurufen. Er stellte mir keine Fragen.
»Ich schicke sofort einen Streifenwagen. Der ist in wenigen Minuten dort. Ich fahre hinterher. Dann rufe ich dich auf der Stelle an, Alex.«
Ich saß im Auto und wartete nervös auf Sampsons Anruf. In meinem Kopf wirbelten schreckliche Gedanken und Bilder umher. Ich konnte nichts tun – nicht für Jamilla, wenn sie in Schwierigkeiten steckte, nicht für meine Familie in Washington.
Ich dachte an Superhirn und wie er in der Vergangenheit vorgegangen war. Immer hatte es dramatische Anrufe und boshafte Sticheleien gegeben – und zugeschlagen hatte er, wenn ich es am wenigsten erwartete. Dann führte er einen Stich direkt ins Herz.
Wenn ich am wenigsten damit rechnete.
Taten, nicht Worte.
Grauenvolle Morde.
Er wusste, dass ich nicht nach Washington zurückgeflogen war. Aber wusste er auch ganz sicher, dass ich hier in San Francisco war?
Ich konnte mich nicht so konzentrieren, wie es nötig gewesen wäre. Konnte es sein, dass er direkt hier auf der Straße vor Jamillas Haus war? Beobachtete Superhirn, dieser eiskalte Mörder, mich in diesem Moment? Er hatte bewiesen, dass er gerissen genug war, mir zu folgen, ohne dass ich ihn je zu Gesicht bekommen hatte. Wollte er jetzt den Endkampf?
Wieder klingelte das Handy. Mein Herz machte einen
Sprung. Nervös drückte ich auf den Knopf.
»Cross«, meldete ich mich.
»Alles okay, Alex. Ich bin im Haus mit Nana und den Kindern. Alle sind gesund und munter.«
Ich schloss die Augen und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Gib mir mal Nana«, bat ich Sampson. »Und ich akzeptiere kein Nein von ihr. Ich muss mit ihr über die nächsten Schritte reden.«
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S ampson versprach, bis zu meiner Rückkehr bei Nana und den Kindern zu bleiben. Zu keinem Menschen auf der ganzen Welt hatte ich mehr Vertrauen als zu John, bei niemandem würden sie sicherer sein. Trotzdem gab es keine absolute Sicherheit, und ich litt unter dieser schweren Last. Aber ich konnte Kalifornien nicht verlassen, ehe ich nicht Jamilla gefunden und die Gewissheit hatte, dass sie in Sicherheit war.
Schließlich rief ich Tim Bradley im Examiner an. Er hatte auch keine Ahnung, wo sie sein könnte, nicht mal, dass sie sich diesen Tag freigenommen hatte. Vielleicht wollte sie nur weg aus der Stadt – weg von ihrem Beruf als Detective beim Morddezernat?
Langsam beschlich mich das Gefühl, es könnte ein Fehler gewesen sein, dass ich in San Francisco geblieben war. Je länger ich hier draußen auf der Straße vor Jamillas Haus saß, desto überzeugter wurde ich. Vielleicht raubte mir der Job den letzten Rest Verstand. Instinkte versagen als Erstes.
Jedes Mal, wenn ich losfahren wollte, erinnerte ich mich an die Nacht, als ich zu Betsey Cavalierres Haus gekommen war und ihre Leiche gefunden hatte.
Und überhaupt – meine Karriere verdankte ich weitgehend meinem Instinkt.
Gefühle aus dem Bauch heraus, Erfahrungen aus der Vergangenheit. Vielleicht schlichtweg Sturheit.
Ich blieb auf meinem Beobachtungsposten. Ein paarmal stieg ich aus dem Auto aus und ging auf und ab. Dann setzte ich mich wieder ins Auto und wartete weiter. Ich kam mir total dämlich vor, wollte aber nicht aufgeben. Wieder rief ich Sampson an. Zu Hause war alles bestens. Es war noch ein Kollege vom Morddezernat gekommen, den ich auch kannte, Jerome Thurman. Doppelwache gegen Superhirn. War dieser Schutz ausreichend?
Dann sah ich Jamilla in ihrem Saab die Straße heraufkommen. Ich klatschte in die Hände und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Ja. Gott sei Dank, sie war gesund. Ja, da war sie !
Sie parkte einen halben Block von ihrem Haus entfernt auf der Texas Street, stieg aus und holte eine Sporttasche
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