Alex Cross - Cold
Umweltschutzbehörde«, sagte Jerry. »Und der neben der Tür kommt aus dem Innenministerium. Aber frag nicht, wer die Leitung hat. Ich glaube, das weiß im Moment noch niemand.«
Kaum hatte Davies sein Telefonat beendet, hob er die Arme, um die Aufmerksamkeit der Anwesenden zu bekommen. »Alle mal herhören. Gerade eben habe ich mit der Pumpstation in der Bryant Street drüben beim McMillan Reservoir telefoniert. Dort gibt es gewisse Anzeichen für eine Manipulation an einer der Hauptwasserleitungen. Was immer genau passiert sein mag, es war jedenfalls kein Zufall!«
»Was für eine Manipulation?«, wollte ein Zwischenrufer wissen. Das war genau meine Frage.
Davies holte tief Luft, dann sagte er: »Das, was ich jetzt sage, muss absolut unter uns bleiben. Mehrere von Hand angefertigte Hilfsmittel, mit denen irgendein bislang noch unbekanntes Gift ins Trinkwassersystem eingebracht werden sollte. Anscheinend ausschließlich im zweiten Wasserbezirk. Der liegt zwischen der Eastern Avenue und Rocl Creek. In den anderen Bezirken läuft bis jetzt alles normal. Überall wird das Wasser untersucht. Und wir haben die Sicherheitsmaßnahmen in allen Netzbetriebsstellen drastisch verstärkt.«
Davies übergab an seine Stellvertreterin Kilbourn. Sie informierte alle Anwesenden mit einer kurzen PowerPoint-Präsentation über die möglichen Konsequenzen, die aus diesen Vorfall gezogen werden konnten. Einiges waren praktische, sofort umsetzbare Maßnahmen, andere Vorschläge waren eher theoretischer Natur. Sie reichten von der kompletten Stilllegung der städtischen Wasserversorgung bis zu den verschiedenen Möglichkeiten der Aufstandsbekämpfung. Selbst die Evakuierung des Stadtgebietes und die In-Kraft-Setzung des Kriegsrechtes standen auf ihrer Liste. Hier waren wirklich alle Anzeichen des »Großen Knalls« zu erkennen, den alle immer befürchtet hatten.
»Niemand geht davon aus, dass diese Pläne wirklich in Kraft gesetzt werden müssen«, sagte Kilbourn. »Wir wissen ja noch nicht einmal, ob es sich überhaupt um die Aktion einer Terrorgruppe handelt. Aber es ist sinnvoll, dass alle genau wissen, was zu tun ist, wenn, beziehungsweise falls, die Kacke so richtig anfängt zu dampfen.«
Mit anderen Worten: Wir steuerten auf unbekanntes Territorium zu. Theoretisch waren wir zu allem bereit. In den Jahren seit dem 11. September hatten wir alle möglichen Notfallpläne entwickelt und sämtliche Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, Simulationen durchgespielt und Spezialausbildungen absolviert, die das Police Department sich nur ausdenken konnte. Aber worüber niemand sprechen wollte, war, dass es Situationen gab, auf die man sich beim besten Willen nicht vorbereiten konnte.
Weil man sie sich einfach nicht vorstellen konnte.
26
Als ich den Raum wieder verließ, hatte ich immer noch das Gefühl, nicht wirklich in die Ermittlungen eingebunden zu sein. Und im Fall Coyle stand ich tatsächlich am Scheideweg. Ich musste wissen, ob ich da überhaupt zu etwas nütze war und auch, ob die Entführung der Präsidentenkinder irgendwie mit diesem Giftanschlag zusammenhing. FBI und CIA hatten diese Möglichkeit in den Raum gestellt. Und es war einer meiner ersten Gedanken gewesen, als ich von den Problemen bei der Trinkwasserversorgung gehört hatte.
Ich zog mich ins Treppenhaus zurück, um etwas Ruhe zu haben. Dann wählte ich Ned Mahoneys Nummer. Er meldete sich nicht, und ich ging nach unten in die Tiefgarage.
Dort stieg ich in meinen Wagen und fuhr zu dem kleinen Häuschen in Falls Church, Virginia, das Ned bewohnte. Wenn er den Unnahbaren spielen wollte, dann musste ich eben noch ein bisschen unwiderstehlicher werden.
Ich war schon gelegentlich einmal zum Grillen bei Ned gewesen, aber als Amy Mahoney mich auf ihrer Eingangsterrasse stehen sah, riss sie die Augen weit auf.
»Alex? Was ist denn los?«
»Nichts Schlimmes«, entgegnete ich, was nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Ich versuche bloß, Ned aufzutreiben. Ich muss unbedingt mit ihm reden, Amy.«
Ihre Miene entspannte sich. Ned leitet die Geiselbefreiungs-Einheit in Quantico. Sein Job bringt eine Menge Stress mit sich, und er ist nicht der Einzige, der damit leben muss.
»Komm rein.« Amy kniff mich in die Wange, während ich durch die Fliegengittertür trat. »Ich rufe ihn gleich mal an.«
Ich stand in ihrem Foyer und fühlte mich nicht hundertprozentig wohl in meiner Haut. Schämte mich ein bisschen. Wirklich astrein war das nicht, was ich da machte, aber es
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