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Alex Cross - Cold

Titel: Alex Cross - Cold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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sie. »Vertrau mir, mein Liebster. Wir sind noch nicht am Ende. Nicht einmal annähernd.«
    Es gab immer noch eine Möglichkeit. Sie war zwar riskant, aber nicht ganz so radikal wie das, was in ihrer Tasche lag.
    Als sie sich erneut auf den Weg machen wollte, streckte Tarik die Hand nach ihr aus wie ein Kind, das nicht allein gelassen werden möchte. »Wo willst du denn hin?«, fragte er.
    »Ich bin gleich wieder da«, entgegnete sie. »Warte einfach hier. Ich komme wieder. Versprochen.«

   90
    Hala ließ Tarik an der Rückwand der Gasse zurück und ging quer über die Straße zur Bushaltestelle.
    Eigentlich hatte sie allen Grund, um tödliche Angst zu empfinden, aber so war es nicht. Je mehr Tarik aufzugeben schien, desto größer wurde ihre Entschlossenheit. Sie standen mit dem Rücken zur Wand, na und? Das war nicht das erste Mal. Genau auf solche Situationen hatten sie sich intensiv vorbereitet.
    Und wenn es zum Äußersten kam, wenn die Kapseln sich schließlich doch als notwendig erweisen sollten -, dann hatte sie immer noch neun Kugeln in ihrer Pistole. Neun Amerikaner würden also vor ihr sterben.
    Sie durchquerte den Wartebereich des so gut wie menschenleeren Busbahnhofs und kam zu ein paar ziemlich verbeulten und mit Graffiti besprühten Telefonzellen. Zu ihrer Überraschung gab gleich der erste Hörer, den sie in die Hand nahm, ein Freizeichen von sich. Sie drückte die Null.
    Es war mehr als ärgerlich, wie lange es dauerte, bis die Verbindung endlich zustande kam, ein R-Gespräch nach Übersee, nach Saudi-Arabien. Die amerikanische Vermittlung hatte so gut wie überhaupt keine Ahnung.
    Aber dann, mit einem Mal, hörte sie eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung, die sich bereit erklärte, die Kosten für das Telefonat zu übernehmen.
    »Hala, Schätzchen, bist du das?«, sagte ihre Mutter auf Arabisch. »Wo steckst du denn?«
    »Immer noch in Amerika, Mama«, antwortete Hala. Es war seltsam, ihre Muttersprache zu benutzen, nachdem sie jetzt so viele Wochen lang nur Englisch gesprochen hatte. »Wir sind hier leider noch nicht fertig. Tarik und ich wohnen in der First Street. Zwischen der K und der L.«
    »Was soll das denn bedeuten, Hala? Zwischen K und L?«
    »Dort wohnen wir im Moment«, sagte sie.
    »Aber wann kommt ihr nach Hause?«, wollte ihre Mutter wissen. »Fahd und Aamina fragen jeden Tag nach euch. Sie vermissen euch so sehr.«
    Hala musste die Augen zusammenkneifen, um die Tränen zurückzuhalten. Sie durfte wirklich nicht die geringste Aufmerksamkeit erregen, das war ihr klar. Nicht das kleinste bisschen. Sie würde nicht zulassen, dass sie jetzt anfing zu weinen oder sonst eine Schwäche zeigte.
    »Sag ihnen, dass ich sie liebe, Mama. Bitte.«
    »Aber sie stehen hier neben mir«, erwiderte ihre Mutter.
    »Nein! Ich muss auflegen«, sagte sie noch, aber es war schon zu spät. Einen Augenblick später hatte sie Fahds süße Stimme im Ohr.
    »Mama! Du fehlst mir!«
    »Du fehlst mir auch. Bist du auch brav, kleiner Mann?«, sagte sie. Ihre Stimme klang belegt. Hoffentlich merkte der Junge das nicht. Es war beinahe nicht zu ertragen.
    »Ja, Mama. Wir haben in der Schule Geologie gelernt. Weißt du, was Sedimentgestein ist?«
    »Das weiß ich«, erwiderte sie. »Aber, Fahd, ich kann jetzt nicht sprechen. Mama muss auflegen.« Sie hörte, wie die arme kleine Aamina im Hintergrund quengelte und auch an die Reihe kommen wollte. »Ich muss zurück in die First Street, zwischen der K und der L. Gegenüber vom Busbahnhof.«
    »Was, Mama?«
    »Ich muss los«, sagte sie hastig. »Sag deiner Schwester, dass Papa und ich sie sehr lieb haben. Und dich haben wir auch sehr lieb. Ihr seid die besten Kinder auf der ganzen Welt.«
    »Kommt ihr bald wieder?«, fragte er noch.
    Hala gab die einzige Antwort, die sie übers Herz brachte. »Ja«, sagte sie. »Bald. Sehr bald.«
    Nichts, was Hala bisher in Amerika hatte tun müssen, war so schwierig gewesen, wie jetzt den Hörer auf die Gabel zu legen. Aber es war eben auch absolut notwendig. Jede Sekunde, die sie in der Öffentlichkeit zubrachte, war ein gewaltiges Risiko. Sobald sie sich wieder im Griff hatte, drehte sie sich um und ging mit schnellen Schritten den gleichen Weg zurück, den sie gekommen war.
    Jetzt blieb ihr nichts weiter zu tun, als zu beten, dass die richtigen Leute und nicht die falschen das Telefon ihrer Eltern abhörten. Die FAMILIE war, was solche Dinge anging, sehr gewissenhaft, aber in den vergangenen Tagen hatte sich auch sehr

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