Alex Cross - Cold
jedem, der sich ein bisschen auskannte, schon von Weitem das Wort »Kriminalpolizei« entgegenbrüllten.
Ich nannte Shaw außerdem die Namen einiger Beamter aus dem Rauschgiftdezernat und aus den Mobilen Einheiten, alles Leute, von denen ich wusste, dass sie sich im städtischen Umfeld unauffällig bewegen konnten. Ich wollte auf keinen Fall jemanden dabeihaben, der seit dem Beginn der Ermittlungen schon einmal in der Branaff School oder auch nur in deren Nähe gewesen war.
Einschließlich meiner selbst. Glass kannte mich. Ich würde mich vorerst aus der Überwachung heraushalten müssen.
Um vier Uhr nachmittags war ich wieder in der Stadt. Als Glass Feierabend machte, hatten wir drei Wagen an verschiedenen Stellen rund um die Schule postiert.
Alle Mitglieder des Teams hatten einen GPS-Sender bei sich, sodass ich mit einem Laptop bewaffnet in einiger Entfernung in meinem Wagen sitzen konnte und jederzeit wusste, wer wo war. Der Funkverkehr lief nicht über den normalen Polizeifunk, sondern auf einer anderen, inoffiziellen Frequenz. Etwas Besseres war auf die Schnelle nicht möglich gewesen. Ich stand also etliche Querstraßen von der Schule entfernt und hörte zu.
»Hier Tango. Er kommt zum Südtor raus. Ein grüner Subaru Forester, biegt in nördlicher Richtung auf die Wisconsin ein.«
»Dranbleiben, Tango. Hier X-Ray. Ich komme von der anderen Seite und löse dich irgendwann nach der Thirtyseventh Street ab.«
»Alles klar. Bravo, lass dich ein Stück zurückfallen, wenn das geht.«
»Verstanden.«
Wir hatten gerade so viele Einheiten zur Verfügung, dass wir ihn im ständigen Wechsel verfolgen konnten. Ich ließ ihnen ein bisschen Vorsprung, dann wendete ich und fuhr in einem knappen Kilometer Entfernung hinterher.
»Wer hat gerade Sichtkontakt?«, erkundigte ich mich, sobald ich auf der Wisconsin war. »Was macht er?«
»Hier Bravo. Er fährt einfach bloß. Hört Musik, wenn ich das richtig sehe. Klopft mit den Fingern den Takt auf dem Lenkrad. Der Typ macht einen absolut entspannten Eindruck.«
»Ja, na ja, könnte sein, dass der Eindruck täuscht.«
Glass blieb etliche Kilometer auf der Wisconsin. Zunächst sah es so aus, als wollte er nach Maryland, aber dann hörte ich, dass er das Einkaufszentrum in Friendship Heights ansteuerte. Er parkte vor Bloomingdale’s und spazierte dann in die Mazza Gallerie.
Ich schickte ihm zwei Männer hinterher. Ein Wagen musste auf der Straße bleiben und immer im Kreis um den Block fahren. Ich selbst parkte außerhalb des Parkplatzes, und zwar so, dass ich Glass’ Wagen im Auge behalten konnte.
Im Verlauf der nächsten Dreiviertelstunde bekam ich die üblichen langweiligen Meldungen zu hören, die man bei neunundneunzig Prozent aller Beschattungen zu hören bekommt. Ich saß da und erfuhr, dass Glass zu McDonald’s ging. Sich einen Burger bestellte. Sich an einen der Tische setzte und ein Taschenbuch las, Sebastian Jüngers War: Ein Jahr im Krieg. Das hatte ich auch schon gelesen. Er schien es nicht besonders eilig zu haben. Ein ganz normaler Tag.
Als er schließlich weiterging, folgten sie ihm zu Neiman Marcus, kreuzten immer abwechselnd durch den Laden, während er sich Schuhe und Hemden ansah. Es schien fast so, als würde er absichtlich Zeit totschlagen.
Und dann war er plötzlich verschwunden.
»Tango, siehst du ihn?«, hörte ich.
»Negativ. Augenblick mal. Warte. Ich glaube, er ist aufs Klo gegangen.«
Noch einmal fünfzehn Sekunden verstrichen. Komm schon, komm schon, komm schon!
»Was ist denn los bei euch?«, schaltete ich mich ein.
»Hier Tango. Er ist nicht auf dem Klo. Ich glaube, wir haben ihn verloren.«
»Ihr habt ihn verloren?«, sagte ich und versuchte, niemanden anzublaffen zumindest nicht gleich. »Oder hat er euch ausgetrickst?«
»Ich weiß es echt nicht«, sagte er. »Aber wir brauchen dringend Verstärkung.«
Am liebsten wäre ich total ausgeflippt, aber ich versuchte, mich zusammenzureißen. Ich wollte auf keinen Fall den Kopf verlieren und riskieren, dass die ganze Sache platzte. Aber Rodney Glass wollte ich auch nicht verlieren.
88
Es war deprimierend. Eine Katastrophe und ich trug die Verantwortung dafür. Ich war stinksauer auf mich selbst, obwohl ich jetzt auch nichts mehr ändern konnte.
Ich drehte fast durch, während ich eingesperrt in meinem Wagen saß, Glass’ Subaru anstarrte und der Funkstille lauschte, während meine Leute die Umgebung absuchten.
Beide Einkaufszentren.
Die
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