Alex Delaware 25 - Tödliche Lektion
könnte der Italiener also auch von einem rabiaten Mistkerl von der Eastside erschlagen worden sein, so wie es der Nachbar vermutet hat, und wir können alle heimgehen, ein Bier trinken und mit denjenigen vögeln, mit denen wir für gewöhnlich vögeln.«
»Das löst aber den Fall Freeman nicht, Sir.«
»Einige Rätsel des Lebens, Sturgis, sind dazu bestimmt, rätselhaft zu bleiben.«
Milo erwiderte nichts.
»Praktisch«, sagte ich. »Mal abgesehen vom moralischen Dilemma.«
Der Kopf des Polizeichefs schoss nach vorn. Funken stoben von der Zigarre wie ein kleines Feuerwerk. »Für wen könnte das ein Problem sein, Doktor.«
»Für Charlie.«
Seine nächsten Worte kamen so gepresst, als würden sie aus einem verstopften Blasebalg gestoßen. »Sie kennen Charlie doch gar nicht.«
»Aber ich kenne mich mit Teenagern aus, und nach dem zu schließen, was Sie beim letzten Mal gesagt haben, ist Charlie ein helles Köpfchen. Der Mord an einer Lehrerin weckt bei jedem Schüler eine gewisse Neugier. Bei einem ernsten jungen Mann mit einer festen moralischen Haltung und einer direkten Verbindung zur Exekutive könnte diese Neugier ganz andere Ausmaße annehmen. Es würde mich nicht wundern, wenn er zum ersten Mal Interesse an Ihrer Arbeit bekundet hat.«
Die Zigarrenglut senkte sich plötzlich.
»Wenn der Mord an Elise Freeman im bürokratischen Fegefeuer hängen bleiben sollte, wird Charlie wissen wollen, warum das so ist«, sagte ich. »Sie werden es ihm erklären, und vielleicht wird er sogar so tun, als ob er sich damit abfindet. Vielleicht wird er sich damit aber auch nicht zufriedengeben und nachhaken, dann müssen Sie die Sache beschönigen. Da er aber klug ist, wird es ihm keine Ruhe lassen, bis er die ganze Wahrheit erfährt. Und diese Art von Wissbegier könnte weit über seinen Abschluss in Yale hinaus fortbestehen.«
Der orange Punkt hüpfte. Seine Hand zitterte. Er versuchte sie ruhig zu halten. Es misslang. Er ließ die Zigarre fallen und stampfte darauf. Aschereste zerstoben, leuchteten auf und verschwanden.
Er saß da und stützte die Hände auf die Knie. Sprang auf wie ein Schnappmesser. Er kehrte uns den Rücken zu, trottete über den Zementplatz und wurde kleiner. Er ging in sein Haus und schloss leise die Tür.
Das Licht ging aus.
»Tut mir leid, Großer«, sagte ich.
»Was?«
»Dass ich dir Scherereien mit dem Boss bereitet habe.«
»Scheiß drauf«, sagte er. »Seit ich hingeschmissen habe und wieder eingespannt wurde, sehe ich die Sache aus einem ganz neuen Blickwinkel.« Er starrte zum Haus. »Ich habe noch nie erlebt, dass er so einen Rückzieher macht.«
»Vielleicht ist er nur zu wütend, um etwas zu sagen.«
»Wen kümmert’s? Das ist ihm an die Nieren gegangen, Alex. Glaub mir, er ist jetzt da drin und macht sich Gedanken wegen seinem Sohn. Und da ich ein unverschämter Opportunist bin, schnappe ich mir in der Zwischenzeit die weiße Karte.«
»Was für eine weiße Karte?«
»Carte blanche, mon frère . Solange er mir keine genauen Anweisungen gibt, gehe ich im Fall Freeman und Fidella vor, wie es mir gefällt.«
»Er hat dir doch genau gesagt, was du zu tun hast«, sagte ich. »Du sollst halbherzig nach Mendoza suchen und den Fall Freeman vorerst ruhen lassen.«
»Das war, bevor du ihn psychisch getriezt hast und er sich nicht gewehrt hat. Schweigen wird als Zustimmung betrachtet. Wenn der Löwe kneift, geht das Gnu ans Wasserloch.«
25
Die Carte blanche lief darauf hinaus, dass Milo die Suche nach Sal Fidellas Corvette einleitete, während wir auf der Route 101 in Richtung Osten rasten.
»Wenn ich Fingerabdrücke kriege, die weder im AFIS erfasst sind noch von Fidella stammen, habe ich umso mehr Gründe, ernsthaft Jagd auf Marty Mendoza zu machen«, sagte Milo. »Das heißt, dass ich mit jedem verdammten Schüler und Lehrer an der Windsor reden werde. Vielleicht fliege ich sogar höchstpersönlich nach San Antonio, gönne mir Tamales und Carne Asada und schaue regelmäßig beim Apartment seiner Schwester vorbei.«
»Für einen normalen Detective machst du ganz schön viel Wind.«
»Das war Teil meiner Ausbildung.«
Neun Stunden später rief er mich an. »Einen wunderschönen guten Morgen.« Er klang ausgesprochen gut gelaunt.
»Hast du das Auto gefunden?«
»Nein, aber ich habe einen neuen Freund.«
Ich traf mich mit ihm an der Duquesne Avenue in Culver City, wo uns eine Wärterin namens Shirronne Bostic zu einer Arrestzelle führte.
Sie trat von einem
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