Alex Rider 02: Gemini-Project: Alex Riders zweiter Fall
Mappe auf seinen Schreibtisch. »Die neuesten Zahlen aus Singapur. Eine Kostenaufstellung über das R-15-Datencenter. Um halb eins sind Sie zum Lunch mit Senator Andrews verabredet. Ich habe einen Tisch im Iv y …«
»Haben Sie London angerufen?«, unterbrach Roscoe sie.
Helen Bosworth blinzelte. Sie vergaß nie etwas, warum also fragte er?
»Ja, ich habe gestern Nachmittag in Alan Blunts Büro angerufen«, sagte sie. Zu der Zeit war es in London bereits Abend gewesen. »M r Blunt war nicht da, aber ich habe für heute Nachmittag ein persönliches Gespräch zwischen Ihnen beiden arrangiert, wir können es in Ihr Auto durchstellen.«
»Danke, Helen.«
»Soll ich Ihnen Ihren Kaffee bringen lassen?«
»Nein, danke, Helen, ich trinke heute keinen Kaffee.«
Helen Bosworth ging hinaus, ernsthaft besorgt. Keinen Kaffee? Welche Überraschung kam als nächstes? Seit sie M r Roscoe kannte, hatte er den Tag mit einem doppelten Espresso angefangen. War er krank? In letzter Zeit war er völlig veränder t … seit Paul von dieser Schule in Südfrankreich nach Hause gekommen war. Und dann der Anruf bei Alan Blunt in London! Niemand hatte ihr je erklärt, wer er war, aber irgendwann hatte sie seinen Namen in einer Akte gelesen. Er hatte etwas mit dem britischen Geheimdienst zu tun. MI6. Was um alles in der Welt veranlasste M r Roscoe, mit einem Mann vom Geheimdienst zu sprechen?
Helen Bosworth ging in ihr Büro zurück und versuchte sich zu beruhigen, nicht mit Kaffee – sie konnte das Zeug nicht ausstehen –, sondern mit einer Tasse Earl Grey. Irgendetwas höchst Merkwürdiges war hier im Gange und das gefiel ihr nicht. Es gefiel ihr ganz und gar nicht.
I nzwischen hatte sechzig Stockwerke tiefer ein Mann im grauen Overall mit einem ID-Sticker an der Brust die Eingangshalle betreten. Der Sticker wies ihn als Sam Green aus, Wartungsingenieur der Fahrstuhlfirma X-Press Elevators Inc. In einer Hand trug er eine Aktenmappe, in der anderen einen großen silbernen Werkzeugkasten. Beides setzte er vor dem Empfangstresen ab.
Sam Green war nicht sein richtiger Name. Sein Haar – schwarz und leicht ölig – war nicht echt, genauso wenig wie seine Brille, sein Schurrbart und seine unregelmäßigen Zähne. Er sah aus wie fünfzig, war aber in Wirklichkeit erst um die dreißig. Niemand kannte seinen richtigen Namen, denn in dem Geschäft, in dem er arbeitete, war ein Name das Letzte, was man brauchen konnte. Man kannte ihn in bestimmten Kreisen als den ›Gentleman‹ und er war einer der höchst bezahlten, erfolgreichsten Auftragskiller der Welt. Den Spitznamen hatte ihm seine Gewohnheit eingebracht, nach jedem Auftrag den Familien seiner Opfer Blumen zu schicken.
Der Mann am Empfang musterte ihn.
»Ich soll mir den Aufzug mal anschauen«, erklärte der Gentleman in einem typischen Bronx-Slang, obwohl er noch nie mehr als eine Woche in der Bronx gewesen war.
»Was stimmt denn nicht?«, fragte der Mann am Empfang. »Ihr wart doch erst letzte Woche hier.«
»Ja, ja, stimmt schon. Aber da war’n defektes Kabel in Aufzug zwölf. Da muss’n neues rein, hatten aber keins dabei. Deshalb bin ich ja jetzt hier.« Der Gentleman griff in seine Tasche und zog ein zerknittertes Stück Papier heraus. »Wollen Sie unser Head Office anrufen?«
Hätte der Mann am Empfang X-Press Elevators Inc. angerufen, hätte er vermutlich herausgefunden, dass dort tatsächlich ein Sam Green arbeitete, der in den letzten beiden Tagen aber nicht zur Arbeit erschienen war. Das lag daran, dass der echte Sam Green auf dem Grund des Hudson Rivers ruhte – mit einem Messer im Rücken und einem zentnerschweren Betonblock an den Füßen. Aber der Mann am Empfang griff nicht zum Telefonhörer, was der Gentleman vorausgesehen hatte. Es war schließlich absolut nichts Ungewöhnliches, dass die Aufzüge nicht funktionierten. Rund um die Uhr waren irgendwelche Techniker damit beschäftigt, sie zu reparieren. Da kam es auf einen mehr oder weniger nicht an.
Der Mann am Empfang deutete ihm mit einer Handbewegung an weiterzugehen.
Der Gentleman stopfte den Brief wieder in seine Hosentasche, griff nach der Aktentasche und dem Werkzeugkasten und steuerte die Aufzüge an. Im Wolkenkratzer gab es ein Dutzend öffentliche Aufzüge sowie einen dreizehnten, der Michael J . Roscoe vorbehalten war. Der Aufzug Nummer zwölf befand sich am Ende des Foyers. Als er ihn betrat, versuchte ein Lieferjunge mit einem Paket ihm zu folgen. »Sorry«, sagte der Gentleman, »außer
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