Alex Rider 02: Gemini-Project: Alex Riders zweiter Fall
nicht stimmte. James grinste, wirkte aber irgendwie abwesend, als ob er in Gedanken woanders wäre.
»Was sollte denn der Terz gestern Nacht?«, fragte James.
»Ich weiß nich t …« Alex spürte eine Sekunde lang das übermächtige Verlangen, James alles zu berichten – sogar, dass er unter falschem Namen hier war und den Auftrag hatte, die Schule auszuspionieren. Aber er durfte es nicht. Nicht hier, in der Nähe der anderen Jungen. »Ich glaube, ich hatte einen Albtraum.«
»Bist du im Schnee schlafgewandelt?«
»Nein. Ich habe mir nur eingebildet, etwas zu sehen, aber das kann ja nicht sein. Es war einfach eine grauenhafte Nacht.« Er wechselte das Thema und senkte die Stimme. »Hast du noch mal über deinen Plan nachgedacht?«, wollte er wissen.
»Welchen Plan?«
»Das Skilaufen.«
»Wir dürfen nicht Ski laufen.«
»Ich meine doc h … zu fliehen.«
James grinste schwach, als ob er erst jetzt kapierte, was Alex meinte. »O h … ich habe meine Meinung geändert«, erklärte er.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Wenn ich wegrenne, würde mich mein Dad sofort zurückschicken. Ich habe keine Chance. Genauso gut kann ich die Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Ich würde es sowieso nicht bis unten schaffen, denn es liegt zu wenig Schnee.«
Alex starrte James an. Alles, was James jetzt sagte, war das genaue Gegenteil von dem, was er gestern gesagt hatte. Alex überlegte kurz, ob es sich um den gleichen Jungen handelte. Doch, daran bestand kein Zweifel. Er sah genauso chaotisch aus wie immer und hatte nach wie vor Blutergüsse im Gesicht, die jetzt allmählich verblassten. Dunkle Haare, dunkelbraune Augen, helle Haut – ja, es war James. Und doch – irgendetwas musste passiert sein, Alex war sich ganz sicher.
Mr s Stellenbosch betrat den Raum. Sie trug ein besonders geschmackloses hellgrünes Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte. »Guten Morgen, Jungs!«, rief sie. »Der heutige Unterricht beginnt in zehn Minuten. Zuerst habt ihr im Turmzimmer Geschichte.« Sie trat an Alex’ Tisch und sagte, an James gewandt: »James, ich hoffe, du nimmst heute auch daran teil.«
James zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Geht in Ordnung, Mr s Stellenbosch.«
»Ausgezeichnet. Wir beschäftigen uns mit dem Leben von Adolf Hitler. Ein sehr interessanter Mann. Ich bin sicher, ihr werdet sehr viel dabei lernen.« Dann zog sie sich wieder zurück.
Alex wandte sich an James. »Du besuchst jetzt den Unterricht?«
»Warum nicht?« James hatte inzwischen sein Frühstück beendet. »Ich sitze ja hier fest und es gibt nicht viel Abwechslung. Vielleicht hätte ich schon früher daran teilnehmen sollen. Du solltest nicht alles so negativ sehen, Alex. Du vergeudest deine Zeit«, erwiderte er und untermalte seine Worte durch eine Fingerbewegung.
Alex erstarrte, denn er hatte diese Geste schon einmal gesehen. Gestern hatte Joe Canterbury, der amerikanische Junge, genau dieselbe Fingerbewegung gemacht.
Marionetten, die am selben Faden tanzen .
Was war in der vergangenen Nacht geschehen?
Alex beobachtete, wie James mit den anderen Jungen hinausging. Er hatte das Gefühl, seinen einzigen Freund in Point Blanc verloren zu haben und plötzlich wollte er nur noch weg, weg von den Bergen, zurück in die heile Welt der Brookland-Schule. Vielleicht hatte er sich dieses Abenteuer einmal gewünscht, aber jetzt wollte er es hinter sich haben. Wenn er dreimal auf den Discman drückte, würden die Leute von MI6 ihn holen. Aber er konnte es erst tun, wenn er etwas zu berichten hatte.
Alex wusste jetzt, was er als Nächstes tun musste. Er stand auf und ging hinaus.
A ls er sich gestern Nacht im Kamin versteckt hatte, hatte er den Weg entdeckt. Der Kamin wand sich nach oben, hinauf ins Freie. Von unten hatte er einen Lichtschimmer erkennen können. Mondlicht. Die Ziegelsteine außerhalb der Akademie waren vielleicht zu glatt, um daran hochzuklettern, aber innerhalb des Kamins waren sie uneben, mit vielen Winkeln und Ritzen als Halt für Hände und Füße. Vielleicht gab es auch im zweiten und dritten Stock eine Feuerstelle. Aber selbst wenn nicht, würde ihn der Kamin zum Dach hinaufführen und – angenommen, es erwarteten ihn dort keine Wachen –, würde er vielleicht einen Weg nach unten finden.
Alex stand vor den zwei Steindrachen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Neun Uhr. Der Unterricht dauerte bis zum Lunch und niemand würde ihn vermissen. Das Feuer war ausgegangen, aber die Asche schwelte noch. Würde eine
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