Alex Rider 08: Crocodile Tears
ging auf. Sein natürlicher Auftrieb zog ihn nach oben, aber er zwang sich mit einigen Beinstößen, unten zu bleiben. Er fasste ins Wageninnere und schlang die Arme um Sabinas Vater. Doch er konnte ihn nicht herausziehen. Edward Pleasure hing irgendwo fest.
Alex ging die Luft aus und die Wasseroberfläche war mindestens zwanzig Meter entfernt. Plötzlich dachte er das Undenkbare. Eine teuflische Stimme schien es ihm ins Ohr zu flüstern. Lass ihn hier!, wisperte sie. Rette dich selbst! Sabina kannst du sagen, du hättest ihn nicht losbekommen. Wenn du noch länger hier unten bleibst, ertrinkt ihr beide.
Das Problem war der Airbag, doch Alex hatte noch den Spazierstock. Ohne zu wissen warum, hatte er ihn im letzten Moment in den Gürtel gesteckt und mitgenommen. Er zog ihn heraus, hielt ihn am Griff und stach mit dem gesplitterten Ende in die Nylonhaut. Er spürte, wie sie riss und Bläschen an seiner Hand vorbeisprudelten. Einen kurzen Augenblick lang war er versucht, sie einzuatmen, dann fiel ihm ein, dass der Sack vor allem mit Stickstoff und nicht mit Luft gefüllt war und er sich damit nichts Gutes getan hätte. Der Airbag fiel in sich zusammen. Alex zerrte an Edward und löste ihn vom Sitz.
Dann waren sie draußen – aber in welcher Richtung ging es nach oben? Alex sah nicht einmal die Bläschen, die aus seinem Mund strömten. Inzwischen war er vollkommen durchgefroren und am ganzen Leib gefühllos. Mit Edward Pleasure in den Armen stieß er sich vom Auto ab und hoffte, der Auftrieb würde ihn in die richtige Richtung befördern. Edward hing wie ein totes Gewicht an seinen Armen und zog ihn nach unten.
Alex hörte wieder die Stimme im Ohr. Lass ihn los, kümmere dich nicht um ihn, rette dich selbst! Stattdessen umklammerte Alex ihn noch fester und strampelte mit den Beinen.
Er begann zu summen, wie er es Sabina geraten hatte. Heraus kam keine Melodie, sondern ein verzweifeltes Wimmern. Wenn er sich irrte? Womöglich war der Nissan dreißig oder sogar fünfzig Meter tief gesunken. Alex blickte nach oben, erkannte aber nichts Helles, keine Wasseroberfläche. Wieder stieß er die Beine nach unten und hatte nicht das Gefühl, sich weiter hinaufzubewegen. Ob Edward überhaupt noch lebte?
Seine Brust begann zu schmerzen, die Lunge schrie nach Luft und er wusste, lange konnte er sich nicht mehr dagegen wehren. Er hatte vielleicht eine halbe Minute gebraucht, um über das Wagendach zu klettern. Dann noch einmal eine halbe Minute, bis er Edward losgemacht hatte. Inzwischen mochte eine weitere Minute vergangen sein. Normalerweise konnte er die Luft länger anhalten, allerdings nicht in dieser Kälte. Das eisige Wasser von Loch Arkaig hatte ihn geschwächt und jetzt war seine Kraft verbraucht. Sein Summen stockte und brach ganz ab. Aus seiner Lunge kam keine Luft mehr. Mit einem verzweifelten Schluchzer öffnete er den Mun d …
… und atmete Luft ein. Er wusste nicht, wie oder wann er die Wasseroberfläche erreicht hatte, und hatte nicht gemerkt, wie seine Schultern durch das Eis brachen. Doch er war aufgetaucht. Dann konnte er auch wieder etwas erkennen. Verschwommen sah er den Mond hinter den Wolken und die Schneeflocken, die vom Himmel fielen. Nur mit Mühe hielt er Edwards Kopf über Wasser. Er bekam auf einmal Angst, die ganze Rettungsaktion könnte umsonst gewesen sein. Schließlich stand nicht einmal fest, ob Sabinas Vater noch atmete. Bewegungslos wie eine Leiche hing er in Alex’ Armen.
Wo war überhaupt Sabina? Alex wollte sie rufen, aber alles in ihm schien eingefroren, Brust, Stimmbände r … Unendlich langsam drehte er sich um. Hoch über sich sah Alex die von Scheinwerfern angestrahlte Burg. Das Ufer lag etwa zwanzig Meter entfernt. Er war allein. Sabina hatte es nicht geschafft.
»Aaaa a …«
Oder doch! Die schwarze Oberfläche des Sees teilte sich spritzend und Sabina tauchte inmitten glitzernder Wellenringe neben ihm auf. Ihr Gesicht war weiß und der Zopf hatte sich gelöst. Sabina hatte seinen Namen rufen wollen, doch dann hatte die Kraft sie verlassen. Sie starrten einander an und ihre Blicke sagten mehr, als Worte es vermocht hätten. Sabina streckte die Hand aus und half ihm, ihren Vater zu halten. Keuchend begannen sie, zum Ufer zu schwimmen.
Die Gefahr war noch nicht gebannt. Sie waren nicht ertrunken, aber sie konnten immer noch erfrieren. Bestimmt war ihre Körpertemperatur gefährlich gesunken. Sobald sie am Ufer ankamen, mussten sie Hilfe finden, bevor sie schlappmachten. Nur
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