Alex Rider 4/Eagle Strike
einer kleinen Fichtengruppe. Er trug graue Jeans, ein dunkles T-Shirt und eine khakifarbene Jacke. Kleidung und Fernglas hatte er in einem Army-Store gekauft. Das Wetter war wieder einmal umgeschlagen; schon den ganzen Nachmittag lang ging ein dichter Nieselregen nieder und Alex war bis auf die Haut durchnässt. Längst hatte er es bitter bereut, die Thermosflasche mit heißem Kakao abgelehnt zu haben, die Jack ihm hatte mitgeben wollen. Es nervte ihn, dass sie ihn ständig wie ein kleines Kind behandelt e – aber sogar die harten Typen vom SAS wussten, wie wichtig es war, sich warm zu halten. Das hatten sie ihm während der Ausbildung oft genug eingebläut.
Jack war mit Alex nach Amsterdam gereist. Sie hatte auch das Hotel ausgesucht, in dem sie jetzt wohnte n – an der Herengracht, einem der drei Hauptkanäle der Stadt. Im Augenblick wartete sie im Hotel auf ihn. Nach allem, was in Paris passiert war, rastete sie jetzt natürlich schier aus vor Sorge. Deshalb hatte sie auch jetzt mitkommen wollen, als er losgezogen war, um Crays Softwarefirma genauer unter die Lupe zu nehmen. Aber Alex hatte sie schließlich davon überzeugen können, dass zwei Menschen zweimal leichter zu entdecken seien als einer allein. Zudem war Jack durch ihre hellroten Haare eine besonders auffallende Erscheinung. Widerwillig hatte sie schließlich nachgegeben.
»Auf jeden Fall kommst du ins Hotel zurück, bevor es dunkel wird«, hatte sie befohlen. »Und wenn du an einem Blumenladen vorbeikommst, bringst du mir gefälligst einen Strauß Tulpen mit.«
Er musste grinsen, als er daran dachte. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht, stützte sich mit beiden Ellbogen im nasskalten Gras auf. Was genau hatte er während dieser Stunde in Erfahrung gebracht?
Das Industriegebiet, in dem er sich befand, lag in den Außenbezirken von Amsterdam. Das ganze Viertel kam ihm sehr seltsam vor. Sloterdijk umfasste riesige Firmengelände und viele Lagerhäuser und Fabriken. Die meisten Gebäude waren niedrig; meistens lagen breite Asphaltplätze zwischen den Betrieben. Vereinzelt gab es allerdings auch Baumgruppen und Rasenanlagen, vielleicht hatte sich jemand verzweifel t – aber völlig vergeblic h – bemüht, die Gegend ein wenig freundlicher wirken zu lassen. Hinter Crays High-Tech-Gelände ragten drei Windmühlen empor. Aber es waren nicht die traditionellen holländischen Windmühlen, die man auf jeder Postkarte finden konnte, sondern moderne, turmhohe Windkraftanlagen, deren drei Flügel sich unablässig drehten. Sie waren riesig und sahen recht bedrohlich aus, fast wie fremdartige Wesen von einem anderen Planeten.
Crays Firmengelände erinnerte Alex an eine Kasern e – oder vielleicht auch an ein Zwangslager. Ein hoher doppelter Zaun grenzte das gesamte Gebiet ein; ganz oben auf dem äußeren Zaun hatte man Stacheldraht angebracht. In Abständen von jeweils 5 0 Metern standen Wachtürme. Außerdem patrouillierten bewaffnete Wächter den Zaun entlang. Auf dem Gelände zählte er acht oder neun niedrige rechteckige, weiß getünchte Backsteingebäude. Statt mit Ziegeln waren die Dächer mit High-Tech-Gewebe bedeckt. Arbeitende Menschen eilten hin und her, manche flitzten in kleinen Elektroautos herum. Immer wieder hörte Alex das klagende Heulen der kleinen Elektromotoren; es erinnerte ihn an das Geräusch der Milchlieferwagen, die morgens durch die Straßen in England fuhren. Die Firma verfügte über ein eigenes Kommunikationszentrum, vor dem fünf riesige Satellitenschüsseln standen. Die übrigen Gebäude dienten offenbar als Labors, Büros und Wohnräume. Doch ein Gebäude unterschied sich deutlich von allen anderen: ein würfelähnlicher Bau aus Glas und Stahl, der geradezu aggressiv modern zwischen den anderen Gebäuden herausragte. Das wird wohl das Hauptquartier sein, vermutete Alex. Vielleicht konnte er dort Damian Cray finden.
Blieb nur die Frage, wie er hineingelangen sollte. Um das herauszufinden, beobachtete er jetzt seit über einer Stunde das Haupttor.
Zum Tor führte nur eine einzige Straße, auf der kaum Verkehr herrschte. Der Zugang wurde offenbar ziemlich penibel überwacht: Wenn ein Auto oder LKW vor dem Gelände ankam, musste der Fahrer ein ganzes Stück entfernt auf der Straße anhalten und vor einer Ampel warten, bis diese auf Grün sprang. Dann durfte er bis zu dem aus Glas und Backstein gebauten Pförtnerhaus am Haupttor vorfahren. Während er dort vor einer zweiten Ampel wartete, erschien ein uniformierter Wächter,
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