Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
Kostümladen alles geben lassen, was man brauchte, um sich in einen türkischen Sklaven zu verwandeln. Jetzt blieb ihm nur noch zu hoffen, dass er nicht ganz so lächerlich aussah, wie er sich fühlte.
»Bist du so weit?«, fragte er.
Tom nickte und wischte sich die Hände an seiner Hose ab. »Du siehst ziemlich erbärmlich aus«, flüsterte er mit heiserer Stimme.
»Ist mir ega l … Hauptsache, es funktioniert.«
»Ich finde, du bist total verrückt.«
Alex beobachtete die Leute, die vor dem Palast eintrafen. Wenn sein Plan aufgehen sollte, musste er auf den richtigen Augenblick warten. Das heißt, er musste genau die richtigen Gäste abpassen.
Es kamen immer noch Scharen von Leuten, die sich vor dem Hauptportal drängten, während die Wachposten ihre Einladungen überprüften. Alex sah zum Canal Grande hinüber. Eben hatte ein Wassertaxi angelegt, aus dem jetzt zwei Leute stiegen, ein Mann im Gehrock und eine Frau in einem langen schwarzen Umhang, der hinter ihr auf dem Boden schleifte. Beide trugen Masken. Perfekt.
Er nickte Tom zu. »Jetzt.«
»Viel Glück, Alex.« Tom nahm etwas aus der Sporttasche und rannte los; er gab sich keine Mühe, unbemerkt zu bleiben. Sekunden später brach Alex auf und schlich durch die Schatten um den Rand des Platzes herum.
Am Eingang herrschte Gedränge. Ein Wachmann kontrollierte gerade einen Gast, mit dessen Einladung etwas nicht zu stimmen schien. Sehr gut. Alex brauchte so viel Unruhe wie möglich. Auch Tom musste bemerkt haben, dass die Gelegenheit günstig war, denn plötzlich gab es einen lauten Knall, und alle Köpfe drehten sich nach dem Jungen um, der auf einmal lachend und schreiend über den Platz hüpfte. Er hatte einen Feuerwerkskörper krachen lassen, und jetzt, als ihn alle anstarrten, zündete er den nächsten an.
»Come stai?«, rief er. Wie geht es Ihnen? »Quanto tempo ci vuole per andare a Roma?« Wie lange braucht man, um nach Rom zu kommen? Alex hatte ihm diese Sätze aus einem Reiseführer herausgesucht. Mehr Italienisch konnte Tom nicht.
Tom warf den zweiten Böller. Wieder gab es einen lauten Knall, und im selben Augenblick rannte Alex zum Kanal und kam gerade an, als die beiden Gäste die Stufen zum Platz hinaufstiegen. Seine Sandalen klapperten auf den Pflastersteinen, aber niemand bemerkte ihn. Sie alle hatten nur Augen für Tom, der jetzt aus vollem Hals You’ll never walk alone grölte. Alex bückte sich und hob die Schleppe der Frau vom Boden auf. Und als sie auf das Hauptportal zuging, schritt er wie ein Diener hinter ihr her.
Es lief genau, wie er gehofft hatte. Die Leute hatten bald genug von dem verrückten englischen Jungen, der sich da vor ihnen zum Narren machte. Schon hatte man einen Wachmann losgeschickt, der ihn verjagen sollte. Alex sah aus den Augenwinkeln, wie Tom sich umdrehte und wegrannte. Das Paar erreichte den Eingang, und der Mann im Gehrock zeigte die Einladung vor. Ein Wachmann warf einen kurzen Blick auf die Neuankömmlinge und winkte sie durch. Er nahm an, dass Alex zu den beiden gehörte und sie den Türkenjungen als Teil ihrer Maskerade mitgebracht hatten. Und die beiden nahmen an, Alex sei ein Angestellter des Palasts und habe die Aufgabe, sie hineinzubegleiten. Warum sonst hätte er plötzlich bei ihnen auftauchen sollen?
Die drei gelangten durch den Eingang in einen prächtigen Empfangssaal mit Marmorfußboden, weißen Säulen und Mosaiken an der gewölbten Decke. Zwei riesige Glastüren führten auf einen Innenhof, in dem ein mit Ziersträuchern und Blumen umpflanzter Springbrunnen stand. Mindestens hundert Gäste plauderten, lachten und tranken Champagner aus Kristallgläsern. Keine Frage, dass sie sich alle hier wohlfühlten. Diener boten auf silbernen Tabletts Häppchen an, ein Mann spielte auf einem Cembalo Mozart und Vivaldi. Passend zur Atmosphäre gab es kein elektrisches Licht, sondern nur Fackeln und Öllampen, deren Flammen im Abendwind tanzten und schwankende Schatten auf die Wände warfen.
Alex war seinen Herrschaften auf den Innenhof gefolgt, aber nun ließ er die Schleppe los und huschte zur Seite. Er blickte nach oben. Der Palast erhob sich drei Stockwerke hoch. Um die erste Etage lief eine offene Galerie, auf der einige Gäste langsam umherschlenderten und das Gewühl im Hof von oben betrachteten.
Während Alex sich umsah, konnte er kaum glauben, dass er sich im einundzwanzigsten Jahrhundert befand. Die Illusion vergangener Zeiten innerhalb der Palastmauern war perfekt.
Aber wie sollte es
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