Alex Rider 6: Ark Angel
eingehalten, die Kosten galoppieren davon, und es gibt längst keine Hoffnung mehr, dass es jemals fertiggestellt werden kann. Das ganze Projekt droht zu scheitern. Seit Monaten träume ich nur noch davon, dass das blöde Ding einfach vom Himmel auf die Erde stürzt. Dann bekäme ich wenigstens einen Teil meines Geldes zurück, weil es natürlich, wie jedes große Projekt, versichert ist. Und ich müsste mir keine Sorgen mehr machen. Es würde nicht mehr als drohendes Verhängnis über mir schweben. Manchmal habe ich ernsthaft daran gedacht, jemanden anzuheuern, der das Ding in die Luft sprengt.
Und dann, Alex, hatte ich plötzlich eine großartige Idee. Wie gesagt: Ich hatte zwei Probleme, und es gab für beide eine gemeinsame Lösung.«
Drevin beugte sich vor, und jetzt erkannte Alex den Wahnsinn in seinen Augen ganz deutlich.
»Ich frage mich, wie gut du dich in Physik auskennst, Alex. Während wir hier sitzen, kreisen über uns im Weltraum Hunderte von Objekten auf ihren Umlaufbahnen, von kleinen Kommunikationssatelliten bis zu riesigen Weltraumstationen wie die ISS und früher die Mir. Hast du dich je gefragt, was die da oben hält? Was sie daran hindert, einfach auf die Erde zu stürzen?
Nun, die Antwort ist eine ziemlich simple Gleichung, in der ihre Geschwindigkeit mit ihrer Entfernung von der Erde in Beziehung gesetzt wird. Vielleicht amüsiert es dich, zu erfahren, dass es theoretisch möglich wäre, einen Satelliten in wenigen Metern Höhe über dem Erdboden kreisen zu lassen. Er müsste nur schnell genug sein, so schnell, dass es praktisch nicht geht. Ark Angel ist fünfhundert Kilometer weit weg. Die Raumstation braucht daher, um oben zu bleiben, bloß eine Umlaufgeschwindigkeit von achtundzwanzigtausend Stundenkilometern. Trotzdem muss sie alle paar Monate wieder ein wenig nachbeschleunigt werden. Das war auch bei der Mir so, und bei der ISS muss man das ebenfalls machen. Alle paar Monate werden Raketen hochgeschickt, die alle diese großen Satelliten wieder in die richtige Position und Geschwindigkeit bringen müssen. Sonst würden sie eines Tages abstürzen.
Und manchmal stürzt tatsächlich einer ab. Die russische Raumsonde Mars 96 fiel am 17. November 1996 vom Himmel, und die Trümmer regneten auf Südamerika herab. ImApril 2000 ging die zweite Stufe einer Deltarakete ganz in der Nähe von Kapstadt nieder. Bis jetzt hatte die Welt großes Glück, dass es noch zu keiner größeren Katastrophe gekommen ist. Nun, fast drei Viertel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Es gibt riesige Wüsten und Gebirge. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stück Weltraumschrott auf bewohntes Gebiet fällt, ist relativ gering. Trotzdem sind die meisten Astronomen der Meinung, dass es irgendwann einmal zu einer solchen Katastrophe kommen wird.
Kannst du mir folgen? Ich will es dir noch einfacher erklären. Stell dir eine Kastanie vor, die du an einer Schnur vertikal herumkreisen lässt. Wenn du zu langsam wirst, fällt die Kastanie runter und trifft dich an der Hand. Verstehst du: Die Kastanie ist die Raumstation, deine Hand ist die Erde. Es braucht nicht viel, damit die beiden zusammenstoßen.
Und genau das habe ich vor.
Wenn die Gabriel 7 morgen startet, hat sie eine Bombe an Bord; ihr Zeitzünder ist exakt eingestellt, und sie wird an einer genau berechneten Position innerhalb von Ark Angel installiert. Alles ist am Computer geplant und fest einprogrammiert. Ein Blick auf eine Landkarte zeigt, dass Washington etwa auf dem neununddreißigsten nördlichen Breitengrad liegt. Die Neigung der Flugbahn von Ark Angel beträgt ebenfalls neununddreißig Grad. Das bedeutet, dass die Raumstation bei jeder Erdumrundung genau über Washington hinwegfliegt.
Die Bombe explodiert zwei Stunden nachdem Gabriel 7 an Ark Angel angedockt hat – um Punkt halb fünf. Dadurch wird die Raumstation aus ihrer Umlaufbahn geworfen und auf die Erde zutrudeln. Hat die Gravitation sie erst einmal erfasst, geht alles sehr schnell. Je tiefer Ark Angel in die Atmosphäreeindringt, desto schneller fällt sie. Sehr bald ist sie außer Kontrolle. Oder so wird es jedenfalls aussehen. Tatsächlich habe ich in den Bordcomputer ein spezielles Bremsmanöver ein programmiert. Jeder Beobachter wird glauben, die Station bewege sich vollkommen planlos, in Wirklichkeit aber wird sie sich mit der Präzision einer genau gezielten Atomrakete bewegen.
Kannst du dir das vorstellen, Alex? Ark Angel wiegt rund siebenhundert Tonnen. Eine ganze Menge davon
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