Alex Rider 6: Ark Angel
Stichflamme geschoben, stieg die Rakete wie auf einem Kissen aus Rauch in die Höhe. Sie war fünfzehn Kilometer entfernt, winzig klein, aber auch so spürte Alex ihre unglaubliche majestätische Kraft. Er schaute ihr nach, bis sie mühelos die obersten Luftschichten durchstoßen hatte und nicht mehr zu sehen war.
Er war zu spät gekommen. Gabriel 7 war gestartet.
Die Bombe, die Ark Angel auf Washington stürzen lassen würde, war unterwegs.
Der rote Knopf
M anchmal hatte Alex den Eindruck, das ganze Universum wäre gegen ihn. Die Flucht von Flamingo Bay hatte ihn beinahe das Leben gekostet. Das Ganze war ein einziger erschöpfender Kampf gegen die Zeit, die Elemente und Drevins Privat armee gewesen.
Und jetzt fuhr er wieder dorthin zurück.
Schuld daran war der CIA-Agent Ed Shulsky.
»Alex, du kennst dich dort aus. Du musst mir zeigen, wo Tamara gefangen gehalten wird. Du kannst mir die Anlage der Insel erklären. Schließlich haben wir nicht viel Zeit. Du hast es selbst gesehen. Die Rakete ist gestartet, und wenn es wahr ist, was du mir erzählt hast ...«
»Es ist wahr!« Alex ärgerte sich. Wie kam der Amerikaner dazu, auch nur für einen Augenblick an seinem Bericht zu zweifeln? Etwa, weil er erst vierzehn war?
Shulsky bemerkte seine Reaktion. »Entschuldige, Alex. Das ist mir so rausgerutscht. Aber dieser Plan: Ark Angel ... Washington ...« Er schüttelte den Kopf. »Das übersteigt alles, was wir uns hätten vorstellen können. Und deshalb müssen wir Drevin außer Gefecht setzen. Sofort. Wir haben keine Zeit, dich irgendwo abzusetzen.«
»Aber Sie kommen zu spät«, sagte Alex. » Gabriel 7 ist auf dem Weg. Was wollen Sie machen? Die Rakete abschießen?«
Shulsky lächelte. »Das ist nicht nötig. Wir brauchen nur den roten Knopf zu finden.« Alex sah ihn verblüfft an. »Die Selbstzerstörung! Die wird ausgelöst, wenn beim Start etwas schiefgeht. Wir können die Rakete sprengen, bevor sie Ark Angel erreicht.«
Alex stand im Bug des gepanzerten Marineboots, einer schnittigen Mark V SOC, die normalerweise zum Transport von Kampfschwimmern an ihre Einsatzorte verwendet wurde. Sie war mit Gatling-Kanonen vom Kaliber 7,62 und Stinger-Raketen ausgerüstet und hatte ein Dutzend schwer bewaffneter Soldaten der Marine-Spezialeinheit an Bord, die die Insel einnehmen sollten.
An Bord hatte sich noch ein Kampfanzug gefunden, der Alex einigermaßen passte. Jetzt sah er die Insel näher kommen, die vertrauten Umrisse wurden immer deutlicher. Das Seltsame war: tief im Innern wusste er, dass er dorthin zurückgewollt hätte, auch wenn Shulsky nicht jede Diskussion darüber unterbunden hätte. Tamara Knight wartete auf ihn. Und Paul Drevin war auch noch da. Alex wollte ihm alles erklären. Er hatte immer noch ein schlechtes Gewissen.
»Zwei Minuten!«, rief Shulsky.
Die Männer kontrollierten ihre Waffen und Panzerwesten. Sie hielten auf den alten Anlegesteg in der Nähe des Hauses zu. Shulsky wollte sich der Kommandozentrale durch den Regenwald nähern. Das bedeutete einen Gewaltmarsch durch die gesamte Länge der Insel und würde ziemlich lange dauern, aber nachdem Alex das Startgelände beschrieben hatte, war Shulsky zu dem Schluss gekommen, dass ein Frontalangriff zu riskant wäre. Es gab keine Deckung; sie würden beschossen, sobald sie das Boot verlassen hätten.
Shulsky trat zu Alex in den Bug. »Ich möchte, dass du an Bord bleibst, bis der Kampf vorbei ist«, erklärte er.
»Was soll das heißen?«, protestierte Alex. »Ich denke, Sie brauchen meine Hilfe!«
»Du hast mir geholfen. Dank deiner Hilfe wissen wir, wo wir hingehen und was wir tun müssen. Aber was jetzt kommt, ist Krieg, Alex. Und ich kann es mir nicht erlauben, dass meine Männer sich auch noch um dich kümmern müssen. Bleib auf dem Boot und achte darauf, dass niemand dich sieht.«
Für Diskussionen war es zu spät. Sie hatten den Steg erreicht, und Alex musste zugeben, dass Shulsky wenigstens in einem Punkt Recht hatte. Diese Seite der Insel war verlassen. Falls Drevin ihr Kommen bemerkt hatte, hatte er seine Kräfte um das Startgelände konzentriert; kein Mensch ließ sich blicken, als das Boot am Steg anlegte und die Soldaten ausstiegen. Alex sah den dreizehn Amerikanern nach. Sie marschierten über den Strand und verschwanden zwischen den Palmen. Er wünschte immer noch, er hätte sie begleiten können. Er hatte ihnen gesagt, wo Tamara gefangen gehalten wurde, aber er hätte sie gerne selbst befreit.
Er blieb allein zurück.
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