Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
mitgebracht und er hatte sich auf dem Rücksitz mühsam hineingezwängt. Jetzt trug er ein kakifarbenes T-Shirt, knielange Shorts und Sandalen. Seine Uniform hatte Jack eingepackt. In zweierlei Blau wäre er schon aus zwanzig Metern Entfernung aufgefallen.
Erst jetzt bemerkten sie, dass das Goldene Haus in Wirklichkeit gar kein Haus war, sondern ein alter Raddampfer. Er sah aus wie ein Relikt aus einer anderen Zeit und war dauerhaft am Ufer des braunen, träge dahinströmenden Nils vertäut. Der Dampfer war drei Stockwerke hoch und weiß gestrichen. Hinten hatte er zwei riesige Schaufelräder und vorne einen Schornstein. Irgendwann hatte man ihn in eine Ansammlung von Schmuckgeschäften umgewandelt, die in den früheren Kabinen untergebracht waren. Ein Steg führte vom Kai hinüber. Der Name des Schiffs stand in goldenen Buchstaben über dem Eingang auf dem Hauptdeck.
»Und jetzt?«, fragte Jack.
»Heißt es abwarten«, sagte Alex.
Sie zogen sich in einen kleinen Park zurück, dessen Bäume vor der Sonne Schatten gaben, und setzten sich auf eine versteckt gelegene Bank. Von hier aus konnten sie beobachten, wer das Schiff betrat oder verließ.
Alex sah auf die Uhr. Fünf Minuten vor fünf.
»Ich sollte mitkommen«, meinte Jack.
»Nein, es ist besser, du bleibst hier. Wenn etwas passiert, kannst du Hilfe holen.«
Wenn etwas passiert. Drei kurze Worte, aber Alex wusste, wie schnell sie in eine Katastrophe münden konnten.
Ein zweites Taxi fuhr vor und Erik Gunter stieg aus. Der Sicherheitschef hatte denselben schwarzen Anzug an wie in der Schule und trug einen kleinen Rucksack auf dem Rücken. Er bezahlte den Fahrer, überquerte den Steg und betrat das Schiff.
Alex war bereits aufgestanden und nahm die Verfolgung auf. Jack blieb sitzen. Alex war so auf Gunter konzentriert, dass er den grauen Chevrolet nicht bemerkte, der auf der anderen Seite des Parks am Straßenrand anhielt. Genauso wenig bemerkte er die beiden Männer, die darin saßen und wie er den Raddampfer beobachteten. Dafür sahen die Männer ihn.
»Ey, der Junge da. Schnell, mach ein Bild!« Der Mann sprach mit amerikanischem Akzent.
»Warum denn? Was …?«
»Los, beeil dich!«
Der andere Mann nahm seine digitale Nikon D3 SLR hoch, drückte auf den Auslöser und fotografierte Alex beim Betreten und Überqueren des Stegs.
»Weshalb interessiert er dich?«, wollte er gereizt wissen.
»Ich kenne ihn«, sagte der erste Mann. »Mach dich bereit. Sieht aus, als kriegten wir gleich Ärger.«
E rik Gunter schob sich in den engen Gängen des Goldenen Hauses zwischen Touristen und Einheimischen hindurch. Beide Seiten waren von Läden und Ständen gesäumt, vor denen die Verkäufer standen, einige davon mit dem dunkelroten ägyptischen Fez auf dem Kopf. Sie sahen aus wie Zauberer, die gleich einen Kartentrick vorführen würden. Überall lag Schmuck aus, die gleichen Halsketten und Broschen wie auf jedem anderen Markt in Kairo. Kleine, an Ketten hängende Pyramiden, ägyptische Hieroglyphen, Glückskatzen, Skarabäen, Porträts von Königin Nofretete und Tutanchamun – viele Tausend Schmuckstücke, alle überteuert und die Hälfte davon unecht. An einem Stand blieb Gunter stehen.
Sofort sprach der Besitzer, ein kleiner, dicker Mann, ihn an. »Was du wollen? Ich dir zeigen Bestes, machen beste Preis.«
Doch Gunter beachtete ihn nicht. Auf dem Tresen stand ein Spiegel. Er streckte die Hand danach aus und drehte ihn, als wollte er sich darin betrachten. In Wirklichkeit blickte er hinter sich auf den Weg, den er gekommen war. Und da fand er ihn tatsächlich, halb versteckt im Eingang eines Antiquitätengeschäfts rund fünfzehn Meter von ihm entfernt: Alex Rider.
Gunter musste ein Lächeln unterdrücken. Er hatte in allem Recht behalten. Das fünfzehnjährige Wunderkind des britischen Geheimdienstes war gar nicht so schlau. Die Falle war gestellt, alles war bereit. Er musste sie nur noch zuschnappen lassen.
Er ging weiter bis zu einer Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift GESCHLOSSEN hing – zu dem einzigen Ort auf dem Raddampfer, der an diesem Tag keine Geschäfte machte. Gunter klingelte. Ein Summen ertönte und die Tür sprang mit einem Klicken auf. Er zögerte kurz, dann trat er ein.
Der Laden verkaufte alte Waffen. Sie lagen zu Hunderten auf Regalen und in Vitrinen oder hingen an Haken von den Wänden. Gunters Blick wanderte über Schwerter und Säbel, Steinschlosspistolen, alte Gewehre und Musketen und Dolche mit großen, in den Griff eingelassenen
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