Alexa, die Amazone – Die große Chance
theoretisch müsste das reichen!«
»Theoretisch ...«, wiederholt Alexa lakonisch. Flavio schweigt.
»Pferde laufen doch meistens zum Stall«, fängt sie wieder an.
»Der liegt aber in der entgegengesetzten Richtung, dann hätten sie ja an uns vorbeikommen müssen. Sind sie aber nicht!«
»Wo sind wir denn eigentlich?«
»Jetzt halt doch mal die Klappe und lass mich nachdenken!« Einen Moment lang ist es völlig still.
»Verdammt noch mal«, sagt Flavio ärgerlich, »wo läuft ein wild gewordenes Pferd hin, wenn nicht in den eigenen Stall?«
»In einen fremden ...«, wirft Alexa ein.
Flavio fährt herum.
»Menschenskind, du weißt gar nicht, was du da sagst ... klar! Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin.«
»Was denn jetzt?«
»Der ›Waldhof‹! Der müsste etwa in dieser Richtung liegen!«
Vage deutet er zum Wald hin.
»Was, ›Waldhof‹?«
»Eine Wirtschaft«, erklärt Flavio knapp, während er sein Pferd schon wendet.
»Über den Berg?«
»Oder außen herum. Das dauert aber zu lange – und mit den Hunden ...«
Alexa reitet neben ihn.
»... und du glaubst, Chicolo ist dorthin gerannt?«
»Die haben Stuten dort! Eine ganze Menge! Mensch, begreifst du denn nicht? Los jetzt, wir müssen uns beeilen.«
Flavio trabt an. Alexa treibt die Stute neben ihn.
»Aber wenn Kurt irgendwo auf der Strecke liegt?«
»Jetzt hör schon auf damit. Wir müssen erst mal Hilfe holen! Oder willst du allein außen herumreiten?«
»Das wär ja noch blödsinniger.«
Alexa schickt ein Stoßgebet zum Himmel, dass Flavios Entscheidung die richtige sein möge und sie nicht zu spät kommen.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Alexa hat Todesangst
Flavio drängt sich mit Lucifer bereits durch das dichte Gebüsch, das den Wald begrenzt.
»Gibt’s da denn keinen Weg?«, ruft Alexa ihm zu, erhält aber keine Antwort. Wenn wir uns quer durch den Wald schlagen müssen, kommen wir nie rechtzeitig an – ihre Befürchtungen schlagen in Gewissensbisse um. Was, wenn ich doch schuld daran bin? Es darf einfach nichts passiert sein!
Sie drängt sich mit Simone hinter dem Rappen durch das verfilzte Unterholz. Die beiden Hunde heften sich an Simones Hufe.
Der Weg, den Flavio nimmt, stellt sich als fast unpassierbar heraus. Die Bäume stehen dicht nebeneinander, dürre Äste lassen kaum Zwischenräume. Flavio zerrt das Gestrüpp vor sich mit den bloßen Händen herunter. Die Angst um seinen Vater schürt seinen Zorn gegen alles, was sich ihm in den Weg stellt. An scharfen Dornen reißt er sich Handschuhe und Finger auf. Er spürt es nicht. Zu lange, biegsame Äste drückt er zur Seite. Alexa muss sich dauernd vor zurückschnellenden Zweigen in Acht nehmen. Dornengestrüpp zerkratzt ihr durchs T-Shirt die Haut.
Alexa geht das alles zu langsam. Sie beginnt an Flavios Idee zu zweifeln. Es wäre doch gescheiter gewesen, mit den Hunden den Weg abzusuchen, den Chicolo auch tatsächlich genommen hat. Vielleicht hätten sie Kurt schon längst gefunden! So ein Blödsinn, durch einen Urwald zu reiten, in dem man über kurz oder lang stecken bleiben muss! Der reinste Blindritt! Zack, hat sie wieder einen Zweig im Gesicht. Diesmal schmerzt es wirklich und sie spürt, wie etwas Warmes über ihre Stirn und am Auge entlangläuft. Sie kann sich denken, dass es Blut ist. Esschnürt ihr die Kehle zu. Blut, denkt sie, Gott im Himmel, wenn Kurt nun irgendwo liegt und verblutet? Für einen Moment presst sie die Augen zu. Ihr ist schwindelig geworden. Ein Zweig schlägt in ihre frische Wunde. Sie spürt es kaum noch. Verzweiflung steigt in ihr auf. Wieder schnellt ein Ast auf sie zu, sie weicht aus, trotzdem fährt ihr ein Zweig ins Auge. Erschreckt duckt sie sich noch tiefer und hält die Hand vor ihr Gesicht. Die heftige Gewichtsverlagerung auf ihrem Rücken lässt Simone einen Schritt nach rechts machen. Ein Baum kommt zu nahe. Alexa erkennt es im letzten Moment und versucht ihn noch wegzudrücken. Zu spät. Er quetscht ihr Knie. Der Schmerz zuckt durch ihren Körper. Sie bückt sich danach. Ein Zweig zischt über sie hinweg. Zu ihrer Sorge um Kurt kommt nun der Verdacht, Flavio lasse so manchen Zweig absichtlich schnellen.
»Idiot«, zischt sie und betastet vorsichtig ihre Kniescheibe. Es schmerzt mörderisch. Und die Hose ist auch gerissen. Egal, denkt sie, darauf kommt es nun auch nicht mehr an.
Flavio beginnt laut zu fluchen. »Autsch«, entfährt es ihm einmal.
Dann geht’s ihm also auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher