Alexa, die Amazone – Die große Chance
schaden.«
»Oh, das ist lieb, danke! Aber Nevada? Kann ich den mitnehmen?«
Nevada, der ausgestreckt neben Sierra liegt, hebt bei seinem Namen den Kopf, schaut Alexa an und klopft zweimal mit seiner langen Rute auf den Boden. Sierra rührt sich nicht.
»Dem geht es hier besser. Du würdest doch keine Zeit für ihn haben«, wehrt Harald ab.
»Hm.« Die Trennung fällt Alexa jetzt schon schwer. »Und wann geht es los – und für wie lange?«
»Übermorgen, haben wir uns gedacht. Bis dahin müsstest du eigentlich soweit fertig sein, was glaubst du?«
»Ja, ja, das schaffe ich gut.«
Alexa lässt sich in ihren Sessel zurücksinken. Das hätte sie nie zu träumen gewagt. Von Harald Struckat, einem großen Turnierreiter, trainiert zu werden. Auf seinem eigenen Pferd. Dafür kann man schon Opfer bringen! Auf der anderen Seite ...
»Bist du nicht traurig, Kurt, wenn du wieder allein bist?« Sie beugt sich in seine Richtung. »Ich bin’s schon, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. So ohne dich, ohne Chicolo, ohne Nevada und das alles hier ...« Sie macht eine ausholende Armbewegung.
»Das ist lieb von dir.« Kurt lächelt ihr zu. »Aber du kannst ja jederzeit zurückkommen, wenn du’s bei dem alten Haudegen da nicht mehr aushältst!« Und er knufft Harald, der ihm scherzhaft mit dem Finger droht.
Alexa lässt sich wieder zurücksinken, doch dann springt sie unvermittelt auf.
»Onkel Kurt, ich muss ganz dringend telefonieren. Das muss ich meinem Vater erzählen, der wird’s nicht glauben! Darf ich?«
Kurt lacht. »Grüß ihn schön von mir – und deine Mutter auch!«
Am Telefon sprudelt es nur so aus Alexa heraus. Sie weiß überhaupt nicht, wie sie anfangen soll, so aufgeregt ist sie.
»Hach, das ist was für Karin«, ist die erste Antwort, die ihr Vater gibt.
»Wieso für Mutti? Verstehe ich nicht! Ich darf doch gehen?«
Er lacht. »Klar gehst du! Sie wird sich Sorgen machen! Ist doch logisch!«
»Sorgen? Wieso denn Sorgen? Besser als bei Harald kann ich doch überhaupt nirgends aufgehoben sein. Das ist ein Profi! Der kann mir alles beibringen! Alles, was ich noch nicht weiß!«, entgegnet sie entrüstet. Sie hört ihren Vater mit ihrer Mutter sprechen. Dann ist ihre Mutteram Apparat: »Das ist ja ein Ding, Alexa, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ein wildfremder Mann? Du kannst doch nicht mit einem völlig Fremden verreisen, Alexa. Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
»Aber Mami! Ich habe mich so gefreut! Das ist doch eine Auszeichnung für mich, verstehst du denn nicht? Und Harald ist doch nicht wildfremd! Er ist ein Freund von Kurt!«
»Das ist es ja!«, hört sie ihre Mutter. »Und du bist erst sechzehn!«
»Mutti!« Alexa ist den Tränen nahe. »Du kannst mir doch jetzt nicht alles verderben. Bitte, bitte nicht! Es ist für mich eine Riesenchance!«
»Chance? Wofür? Reiten ist ein Hobby, meine Kleine, und das bleibt es auch. Du wirst im nächsten Jahr fürs Abitur lernen oder einen guten Beruf anfangen und der heißt bestimmt nicht Pferdepfleger, Bereiter oder sonst so ein Blödsinn. Ich hoffe, darin sind wir uns einig!«
»Ja, ja, Mutti, im nächsten Jahr! Aber bitte lass mich in diesem Jahr doch noch zu Harald. Er ist ein ganz berühmter Springreiter, weißt du, und er hat einen ganz berühmten Reitstall. Da kann ich noch viel lernen. Ich will doch auch in meinem Hobby gut sein, Mami, das musst du doch verstehen!«
Ihre Mutter zögert am anderen Ende der Leitung. Alexa hört, wie sich ihre Eltern leise besprechen. Sie schickt ein Stoßgebet zum Himmel. Lass sie Ja sagen, lieber Gott, lass sie Ja sagen. Ich werde ihr dann auch sofort einen ganz lieben Brief schreiben!
»Alexa«, hört sie jetzt wieder ihren Vater.
»Papa, sag, darf ich? Oh, bitte, Papi, bitte!«
»Langsam, langsam, meine Süße. Jetzt wirst du erst einmal Kurt an den Apparat bitten. Wir wollen schließlich ganz genau wissen, mit wem du da zu verreisen gedenkst – und für wie lange. Und dann sehen wir weiter!«
Alexa stürzt zu Kurt und Kurt erklärt den beiden über zehn Minuten die Situation. Dann kommt das Okay – mit der Bedingung, dass Alexa von Harald nicht völlig verrückt gemacht werden soll. Auch er müsseAlexa klarmachen, dass Reiten für sie nur ein Hobby sein darf und oberstes Ziel sei es nun mal, einen richtigen Beruf zu erlernen. Und zwar ab dem nächsten Jahr.
Alexa ist alles recht.
Sie setzt sich noch in der Nacht hin und schreibt einen glühenden Dankesbrief nach Hause.
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