Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
mit bunten Vertiefungen. Die Rechte führt das feinstens zugekaute Rohrpinselchen, mit dem er die letzten Striche anbringt.
Er malt das Gesicht, das entrückte, fast aufgelöste Gesicht einer leidenschaftlichen jungen Frau, voll von Lust und Schmerz. Das Stöhnen, das ihrem Mund auf dem Leinentuch fast anzusehen ist, wird lauter, ebenso das härtere Ächzen des Mannes. Apelles blickt wieder über den Rand; diesmal lächelt er und nickt.
» Ja. Wunderbar. Dranbleiben. Hart. Ja. Nichts, was der strahlenden Wucht des Ausdrucks einer Frau bei der Liebe gleichkäme.«
Er legt das Röhrchen weg, wählt einen der feinsten Pinsel. Das Bild ist fast beendet. Die Laute vom Lager kommen schneller, höher, schriller, verebben schließlich.
Alexander löst sich aus den Armen der Sklavin, rollt sich auf den Rücken; sein Atem beruhigt sich. Er lächelt. Sie mustert ihn mit einem rätselhaften und rätselnden Blick.
» Fertig«, sagt Apelles. » Ihr beide, und ich auch. Ich glaube, ich werde es Pankaste wird von ihrem Herrn geliebt nennen. Die schiere Wahrheit– lauter und nackt. Götter, ist sie schön!«
Alexander steht auf, legt Schurz und Chiton an, dann die Sandalen. Pankaste beobachtet ihn; plötzlich lächelt sie versonnen und starrt zu den Balken der Decke hinauf.
Alexander tritt neben Apelles, betrachtet die Frau auf dem Bild, die Frau zwischen den Decken, die Frau auf dem Bild.
» Dies ist wohlgetan, Apelles. Kein Wunder, daß man dich den größten aller lebenden Maler nennt. Wunderschön.«
Apelles nickt; er blickt hinüber zu Pankaste. » Wunderschön– fürwahr.«
Alexander sieht ihn an, dann sie, dann beginnt er beinahe tückisch zu lächeln. » Morgen breche ich auf. Mein Vater will mich an seiner Seite haben, im Krieg. Dort ist kein Platz für schöne Sklavinnen, Pankaste.«
Beide beobachten ihn: Apelles aufmerksam und ein wenig verwundert, Pankaste mit einem Ausdruck von Zufriedenheit und Zustimmung. Alexander legt eine Hand auf die Schulter des Malers.
» Ich danke dir– für alles, Pankaste«, sagt er halblaut. Dann, lauter: » Laß mich das Bild behalten, Freund. Du hast sie auf diesem Laken vollkommener besessen, als ich es je auf jenem Laken dort könnte.« Er nickt zum Lager, wendet sich ab und geht zur Tür. » Sie gehört dir. Wenn sie will.«
Die Truppen verlassen Pella; nur eine kleine Besatzung bleibt zurück, und natürlich der Stab unter Antipatros. Mit den jungen Gefährten folgt Alexander einer langen Marschsäule von Fußkämpfern; neben ihm reitet Hephaistion. Hinter den Reitern kommen die letzten Karren, vollbepackt mit Vorräten, Waffen, Verbandszeug; die meisten sind längst unterwegs oder werden vor der Stadt zu einem Zug geordnet. Ganz zum Schluß gehen die Treiber neben ihren bepackten Maultieren.
Unterhalb der Burg, an einer Ecke des Platzes, sitzt ein wandernder Philosoph auf der nassen Erde; als Alexander vorbeireitet, spricht er lauter.
» Dies aber gilt nicht nur für die Künste und Kenntnisse des Friedens. Auch in den Dingen des Krieges ist vollkommene Meisterschaft nur zu erlangen von jenen, die den Weisen und Weitgereisten lauschen oder ihre Schriften lesen.«
Alexander zügelt sein Pferd, steckt die Hand in den breiten Gürtel und zieht eine Münze heraus. Sie ist aus Gold und zeigt auf der einen Seite den bekränzten Kopf des Apollon, auf der anderen einen Wagenlenker auf einem Zweispänner. Alexander wirft dem Philosophen die Münze zu.
Der Mann fängt sie, betrachtet sie. » Ein goldener Stater des Königs Philipp«, sagt er fast ehrfürchtig. » Wofür, Sohn des Königs?«
Alexander entblößt die Zähne. » Damit du schweigst.«
Antipatros betritt die Gemächer des Königs, nimmt den Helm ab, kratzt sich den kahlen Schädel. Archelaos, der Hausmeister, reicht ihm einen Silberbecher voll Wein. Antipatros nimmt, lächelt, trinkt; dann geht er zum Fenster und tritt neben Eumenes, der hinausschaut über die Stadt und die letzten Maultiere des Zugs verschwinden sieht.
» Na ja, nun denn.« Antipatros wendet sich den Tischen zu; alle sind übersät von Rollen und Listen. » Irgendwie wäre ich doch lieber mit ihnen gezogen als… bei dem hier zu bleiben.« Er schneidet eine Grimasse und deutet auf das Schreibgebirge. » Aber ihr habt alles vortrefflich geregelt.«
Eumenes deutet eine Verbeugung an. » Pflicht, edler Antipatros, und Vergnügen. Lust, gewissermaßen.«
» Lust? Baaah… Ich höre, du hast mit Alexander gut und gründlich zusammengearbeitet,
Weitere Kostenlose Bücher