Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
bietet ihm dann seinen Helm an. Alexander lehnt ab.
» Emes– Bogenbieger, Mann mit einem starken Namen, komm.«
Emes strahlt und tritt vor. Alexander hat das Schwert in den Gürtel gesteckt. Er hält die Sarissa in beiden Händen, wirbelt sie herum, läßt sie in den Himmel fliegen, fängt sie auf, läßt sie wie ein Gaukler um seinen Kopf tanzen. Wieder hört man das Girren der Männer; Emes schweigt und beobachtet ihn mit schmalen Augen. Plötzlich richtet Alexander die Sarissa auf Emes’ Kehle. Emes’ Schwert glitzert, fliegt auf, hackt in das Holz der langen Lanze, trennt die Spitze ab. Alexander läßt den Schaft fallen, zieht das Schwert und greift an. Sie kämpfen, fechten, vor und zurück, die Schwerter klirren und blitzen; langsam treibt Alexander den Hopliten zurück, stolpert jäh, taumelt, und als Emes sich auf ihn stürzt, zuckt Alexanders Schwert hoch. Emes’ Waffe wird aus der Hand geschleudert und landet zehn Schritte entfernt. Alexander läßt seines fallen, springt Emes an wie eine Katze. Sie ringen, kurz und wild; dann liegt der Krieger auf dem Rücken. Alexander zieht ihn hoch, lächelt, als Emes ihm die Hand küßt, und geht zu seinem Pferd.
» So stark«, sagt Emes leise, mit einem Staunen in den Augen. » Und sein Schweiß ist mild.« Er schüttelt den Kopf.
Im Palast, in den Arbeitsräumen des Königs, sind alle Tische übertürmt von Rollen, Tafeln, Schreibzeug; dazwischen verlieren sich ein paar Becher und leere Platten, auf denen einmal Speisen gelegen haben. Es ist spät; Öllampen, Fackeln und ein sechsarmiger Lampenständer erhellen die Dinge. Alexander sitzt und schreibt; bei ihm sind weitere Schreiber– Sklaven– sowie Hephaistion und ein fetter junger Mann, dessen Nasenspitze irgendwann einmal von einem Messer gespalten wurde und nie ganz zusammengewachsen ist.
Er reicht Alexander eine Rolle, vollgekritzelt mit wirren Zeichen.
Alexander liest und reibt sich die Augen. » Nicht schlecht, Eumenes– für einen Hellenen.«
Eumenes grinst. » Ich hab’s von Philipp gelernt, vier Jahre lang. Außerdem geht’s um Tatsachen und Zahlen. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen Hellenen und Makedonen.«
» Futter und Getreide für die Pferde.« Alexander murmelt, während er die Liste überfliegt. » Ziemlich großzügig berechnet. Immerhin gibt’s da doch überall Gras, oder?«
Eumenes legt ein Schreibried an seine Nasenspitze, in die vernarbte Gabelung. » Die Pferde laufen aber nicht nur mit Gras. Sie tragen Kämpfer; sie müssen schnell sein; sie müssen in die Schlacht. Besser, wir haben zu viel für sie als zu wenig.«
Hephaistion reicht Alexander eine neue Liste. » Da muß das ganze Zeug hin. Die Namen der befestigten Stützpunkte in Thessalien; die nächsten Häfen; die schon vorhandenen Vorratslager; die Stellen, an denen neue angelegt werden müßten; die nötigen Mannschaften und Packtiere; die Entfernungen.– Wenn alles gutgeht.«
Alexander lehnt sich zurück. » Sehr gut. Du hast zwei Fehler gemacht. Ungefähre Entfernungen reichen nicht, aber genaue haben wir nicht– nicht dein Fehler.«
» Was ist der andere Fehler?« Hephaistion legt eine Hand auf Alexanders Schulter und schaut auf die Liste.
» Hier. Wie ich meinen Vater kenne, bleibt er nicht da stehen.«
Hephaistion runzelt die Stirn. » Aber… wenn es tatsächlich zum Krieg kommt, zu Lande, dann ist das die Stelle, wo die entscheidende Schlacht stattfindet. Immer.«
Alexander schüttelt sehr langsam den Kopf. » Damit werden sie rechnen. Sie werden die Thermopylen besetzen und sperren, wie du es voraussiehst. Und deshalb wird Philipp sie dort hocken lassen und weiträumig umgehen. Also müssen wir uns überlegen, wie wir den Nachschub weiterbringen können.«
Eumenes hüstelt. » Wenn die Verbindungen so lang werden, überlang, gibt es nicht genug Getreide für alle. Männer und Tiere.«
» Natürlich gibt es genug.« Alexander lächelt müde. » Vorratslager der Thebaner. Athenische Getreideschiffe. Die Städte im Hinterland.« Er steht auf, gähnt und streckt sich. » Ich hätte gern morgen früh einen Plan. Wenigstens in Umrissen, Eumenes. Entfernungen, geschätzte Mengen, Anzahl der benötigten Karren und Packtiere. Zelte für die Heiler. Verbandszeug. Die nächsten Häfen und die Stärke ihrer Besatzungen. Die Listen von Philipps Spitzeln liegen da hinten.«
Eumenes schneidet eine Grimasse. » Mach ich. Du hast drei Nächte nicht geschlafen, ich nur zwei, also leg dich hin. Schlaf, wenn
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