Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
wozu sie möglicherweise mit Lust imstande sei.
    Etwas anderes, das keiner Erörterung bedurfte, waren Kinder, die sie nie haben würden. Dymas wollte nicht, da er es nicht für sinnvoll hielt, Kindern unstetes Wanderleben zuzumuten, samt den zwangsläufig damit verbundenen Gefahren und Mühen. Tekhnef konnte keine Kinder haben. Anders als bei manchen Völkern im Inneren Libyens war es bei ihrem Stamm nicht üblich, Mädchen den winzigen Phallos zu nehmen, damit sie nie bestimmte Formen von Lust empfänden; sie war jedoch nicht geraubt, sondern vom Stamm verkauft worden, und vorher hatte die uralte Heilerin sie einer grauenhaften Metzelei unterzogen, damit sie nie Kinder gebäre, in Gefangenschaft und fern vom Heiligen Ganzen. Die zackige Narbe lief quer über ihren Unterleib.
    Widrige Winde hielten sie einen halben Mond im Hafen von Korkyra fest; sie genossen die Zeit an Land, in einem Zimmer über einer Schänke. In Korinth begaben sie sich, nachdem sie ähnliche Unterkunft gefunden hatten, zu dem von Demaratos empfohlenen Bankhaus, wo sie das Gold und einen Teil des Silbers ließen.
    Demaratos kümmerte sich um seine heimischen Geschäfte und war ausnahmsweise nicht auf Reisen. Grimmig äußerte er sich zum sizilischen Krieg und den Verwicklungen seiner Heimatstadt: » Es geht zu Ende; Tausende sind gestorben und werden noch sterben, und am Ende ist alles wie vorher. So leicht ist Karchedons Macht nicht zu erschüttern.«
    Dymas berichtete von den Dingen, die er gesehen und gehört hatte; Demaratos lauschte schweigend. Schließlich sagte der Musiker:
    » Mit Hamilkar habe ich vereinbart, daß ich, wenn es mir gefällt, hin und wieder Dinge berichte, die ich für wichtig halte. Auch dir gegenüber will ich so verfahren. Betrachte mich als– freien Mitarbeiter, der keine Aufträge mehr entgegennimmt.«
    Sie verbrachten den Winter in Korinth. Dymas ließ sich eine neue, bessere Kithara bauen, mit dem Metalljoch und den Wirbeln, die er gerettet hatte, und lehrte Tekhnef die Kunst des Aulos und die Gesetze der Töne.
    Im Frühjahr gingen sie an Bord eines Schiffs, das eine der tausend Inseln zwischen Hellas und Asien ansteuerte; sie fuhren von einem Eiland zum anderen, machten Musik, ohne allzu viel Feindschaft auszulösen durch die Vermengung der Klänge und die unübliche Tatsache, daß ein Kitharist oder Kitharode mit einer Frau auftrat. Den Winter über lebten sie auf Delos; im Frühjahr nahm ein Frachtsegler sie mit zum Piräus, nach Athen.
    Einige erkannten Dymas wieder, obwohl seit seinem letzten Aufenthalt sechs Jahre vergangen waren. In den Schänken, in denen er damals gespielt hatte, hieß man ihn willkommen, trotz seiner vermischten Musik und trotz der Frau, die noch dazu schwarz war und Barbarin.
    An dem Abend, als ein Bote die Nachricht von Philipps kühnem Zug brachte, saßen sie vor einer Schänke am Nordrand der Agora, aßen und redeten. Sie sahen, wie der staubbedeckte Mann zwischen den Tischen und den beweglichen Verkaufsständen entlanglief. Später sahen sie die augenblicklichen Vorsitzer der Phylen, die Ratsherren des Prytaneion aus der runden Tholos kommen, wo sie gemeinsam gespeist hatten; sie sahen, wie sich die Panik ausbreitete, wie würdige Männer in weißen Gewändern über die Agora rannten, Tische umstießen, Zelte und Verkaufsstände in Brand setzten, um die Stadt zu wecken, zu sammeln. Dann hörten sie, daß der Makedone die unüberwindlichen, so oft überwundenen, von einem Heer gesperrten Thermopylen einfach umgangen hatte und bereits im Besitz der weit östlich davon gelegenen Stadt Elateia war, auf dem Weg nach Attika. Am nächsten Tag war Dymas auf einem der obersten Ränge des Dionysos-Theaters, als Demosthenes seine bis dahin heftigste Kampfrede hielt.
    Zwei Tage später verließen sie Athen, gingen zum Piräus, fanden ein Schiff, das sie nach Kreta mitnahm, wo sie bis zum nächsten Frühjahr blieben. Als sie Athen wieder erreichten, hatte der furchtbare Makedone die Stadt noch immer nicht angegriffen, und es war wieder Zeit für einen der Anträge des Demosthenes.
    Eubulos und Demades hatten sich abgesprochen. Der jüngere Mann sollte den letzten, wahrscheinlich vergeblichen Versuch machen, Demosthenes im rhetorischen Zweikampf niederzuringen; der alte angesehene Eubulos sollte alles durch eine gemessene, gemäßigte Rede vorbereiten. Draußen war kaltes Frühjahr; ein beinahe eisiger Seewind fegte über Athen. In der Versammlung wurde es immer hitziger; niemand konnte

Weitere Kostenlose Bücher