Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Rindfleisch, nach erhitztem Wein.
Heromenes und Arrhabaios nahmen die Burg wieder in Besitz, wenn auch nur für einige Tage. Der eigentliche Familiensitz, behaust von den Geistern der Ahnen und dem alten, harten Vater, lag weitere eineinhalb Tagesreisen nordwestlich in den Bergen. Aber auch hier gab es die Dinge der Kindheit, des Erinnerns und der Überlieferung: alte Wappenschilde an den Wänden, erbeutete Waffen, Trophäen aus den Jahrhunderten der Selbständigkeit und der Tributpflicht, Aufzeichnungen auf gebrannten Tontafeln, Bilder auf polierten Holzscheiben, schwere schwarze Truhen zur Aufbewahrung von kostbaren Tüchern, Fellen, Münzen und anderem Gut.
Abends, nachdem der Verwalter sie verlassen hatte, saßen die Brüder vor dem lodernden Feuer, tranken Wein und beredeten die Nachrichten aus den Bergen. Und die Pläne.
» Was denkst du nun– fern von Pella, vom Heer und dem Argeaden?« Heromenes musterte das Gesicht des anderen, über den Rand des silbernen Bechers.
Arrhabaios’ Auge zuckte. » Ich halte es noch immer für… gefährlich. Es muß gut vorbereitet sein.«
» Wollen wir den Vater einweihen?«
» Ich weiß nicht. Ich bin nicht einmal sicher, ob wir mit Alexandras reden sollten.«
Heromenes setzte den Becher ab, hart. » Er ist unser Bruder!«
Arrhabaios nickte; seine Stimme klang nicht besonders begeistert. » Aber er ist viel mit Alexander zusammen.«
» Vielleicht hast du recht. Nach dem, was wir über die Lage in den Bergen gehört haben, sollten wir es trotzdem versuchen. Auch ohne Alexandros.«
Arrhabaios schwieg einen Moment. Seine Blicke streiften die düsteren Wände entlang; die alte schartige Streitaxt glomm schwach im Widerschein des Feuers. » Die hohen Abgaben. Die Abwesenheit der Söhne, die Philipps Kriege führen müssen. Die Dinge im Süden, in Hellas, die hier niemanden berühren. Und Philipp hat die Grenzen gesichert– dafür sollten wir ihm dankbar sein.«
Heromenes grinste. » Wir sind ihm unendlich dankbar. Sein, ah, Schutz war wertvoll. Und ist überflüssig. Die Paionen und Illyrer können uns nichts mehr anhaben. Wann war die Zeit je besser für… die Lynkesten?«
Arrhabaios nickte langsam. » Bleibt immer noch die Frage: Wer tut es, wann, wie? Und wer soll König in Pella sein?«
» Wir müssen sehr vorsichtig sein.« Heromenes beugte sich vor, ergriff einen Stock und stocherte im Feuer. » Lassen wir Vater aus dem Spiel. Kein Wort zu Alexandros. Sie werden zustimmen, wenn alles vorbei ist, aber…«
Arrhabaios schnitt eine Grimasse. » Es wird sehr schwierig werden, alles vor Vater zu verbergen. Du kennst ihn doch. Um die Sache in Gang zu bringen, brauchen wir viele Helfer, viele der Edlen aus der Gegend. Sie sind ihm alle ergeben; wir können nicht sicher sein, daß sie ihm nichts davon sagen.«
» Wir können überhaupt nicht sicher sein. Wir sind erst dann sicher, wenn alles getan ist.«
» Philipp ist gar nicht so schlecht– als Führer und König, wenn man ihn für sich nimmt. Aber jetzt, als hellenischer Hegemon und Bundesfeldherr, wird er schwierig, noch schwieriger als ohnehin. Der Herrscher der Argeaden, na ja, Makedonen– der König in Pella kann nicht herrschen wie ein Tyrann; er muß uns befragen– die Edlen, die Offiziere, die Waffenfähigen. Der hellenische Bundesfeldherr dagegen muß das nicht; sein Amt hat er vom Synedrion in Korinth, nicht von uns erhalten. Er braucht unseren Rat nicht, auch nicht unsere Zustimmung. Es wird vielen nicht gefallen– nicht nur hier in der Lynkestis. Ich nehme an, wenn alles getan ist, werden auch die Eorden, die Oresten, die Pierier und fast alle anderen zustimmen.«
Heromenes fuhr sich durch das drahtige dunkle Haar. » Haben wir die Plätze getauscht? Es kommt mir so vor, als ob ich mich reden hörte. Wo sind deine Einwände und Vorbehalte?«
Arrhabaios kicherte halblaut. » Einer muß doch hin und wieder warnen. Aber nicht dauernd. Jedenfalls: Wer auch immer Philipp nachfolgt, wird sehr vorsichtig sein müssen. Die Hellenen werden ihm nicht gehorchen. Der Krieg gegen den Großkönig wird nicht stattfinden. Der Bund wird aufgelöst. Das Heer ist dann zu groß, der König wird es nicht mehr bezahlen können. Und die Bedeutung der Fürsten wächst.«
Heromenes gähnte. » Das hatten wir doch schon alles. Sind wir denn einig, wer König sein soll?«
Arrhabaios runzelte die Stirn. » Es gibt nur einen. Wie du sehr gut weißt. Vor Philipp war Perdikkas König; sein Sohn Amyntas ist dreiundzwanzig,
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