Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Artabazos und all die anderen. Und… Achilles, der in meinem Blut ist, der in höchstem Ruhm starb, ja, wie auch ich sterben will, aber muß es so bald sein, so jung?« Er drehte sich um und sah Hephaistion in die Augen. » Sag es mir, Patroklos.«
Hephaistion legte die Hand auf Alexanders Unterarm. » Du hast Freunde, weißt du?« sagte er, sehr eindringlich. » Freunde, die dir nicht sagen, was du tun und sein sollst; Freunde, die dich einfach wegen dessen lieben, was du bist.«
Alexander berührte ihn an der Schulter; er lächelte. » Wegen dessen, was ich bin? Eine kostbare Gabe des Schicksals seid ihr, meine Freunde– aber: Was bin ich denn? Wer ist Alexander?«
Mit der Begründung, sie wolle alte Freunde besuchen, ließ Olympias den Zug über die nördliche Straße reiten: nicht von Pella Richtung Aloros und Aigai, dann den Haliakmon aufwärts in die Elimiotis, durch das Land der Tymphaier, über das Pindos-Gebirge nach Epeiros, sondern nach Edessa, zum Begoritis-See, in die Lynkestis. Pausanias wußte, wie alle, daß Olympias dort keine Freunde hatte und daß die Straße ein Umweg war, wenn man nach Epeiros wollte; aber er stellte keine Fragen, und die ehemalige Königin belohnte ihn auf ihre Art, nachts, wenn es sich so einrichten ließ, daß niemand etwas bemerkte. Ohne sein Wissen schien sie noch von Pella aus Boten vorausgeschickt zu haben; in einem großen Gasthof wartete einer ihrer Vertrauten mit der Nachricht, die Herren einer nahen Burg würden es sich zur Ehre anrechnen, die Schwester des Königs von Epeiros bewirten zu dürfen. Pausanias, sechs ausgewählte Männer der königlichen Leibtruppe und Olympias mit zwei Dienerinnen verließen am nächsten Morgen die Straße, der der übrige Zug langsam folgte, und ritten in die Berge. Pausanias rätselte eine Weile, was ausgerechnet die anmaßenden Lynkesten Heromenes und Arrhabaios dazu bewogen haben mochte, die verhaßte Epeirotin zu sich zu bitten, hüllte sich dann aber in das Gewand des Schweigens und den Umhang der Geduld.
Die ersten Hochzeitsgäste, aus ganz Makedonien und Teilen von Hellas gekommen, hatten sich bereits zurückgezogen. Alexanders Schwester Kleopatra war nicht mehr zu sehen; sie schien der neuen Kleopatra, Philipps Königin, keine besonders innigen Gefühle entgegenzubringen. Philipp trank heftig, ebenso Attalos, Onkel und ehemals Vormund der Braut. Kleitos hielt sich aufrecht und trank wenig; zwischendurch verließ er gelegentlich den Festsaal, um nach den Wachen zu sehen. Pausanias, dessen Aufgabe dies eigentlich gewesen wäre, begleitete Olympias auf ihrer Reise nach Epeiros und fehlte. Antipatros führte ein langes, offenbar verwickeltes Gespräch mit einer Sängerin; Antigonos, der Einäugige, lehnte schweigend an einer Wand: Auch seine Liebe zu Attalos war begrenzt.
Zwischen den prunkvoll gewandeten, größtenteils längst betrunkenen Gästen saß Alexander: steif, angespannt, in schlichten weißen Gewändern ohne jeden Schmuck. Aus einem Silberbecher trank er Wasser mit wenig Wein, lauschte, sprach kaum.
Der einzige im Saal, der sich durch seine Kleidung wirklich von den anderen abhob, war Parmenion. Er trug die Sachen, die er unterwegs getragen hatte; er roch nach Pferd und Feld, und sein Chiton war ebenso befleckt wie der Umhang, der hinter ihm über der Lehne lag.
Plötzlich sprang er auf; seinen Bewegungen waren weder die mehr als sechzig Jahre anzumerken, noch die Mühen der Reise, noch die Mengen des Weins. Auch seine Zunge war beherrscht, wie immer. Er hob den Becher. Irgendjemand grölte » Ruhe!«
» Große Freude, Wonnen und Frohlocken allenthalben, König und Herr, Freund und Gefährte– und ihr alle! Um diesem Fest beiwohnen zu können, ehe der König seiner neuen Königin beiwohnt, um die Hochzeit zu bezeugen vor dem Zeugen, habe ich unser Heer in Asien verlassen und bin geritten, hart und schnell– und ich hoffe, Philipp wird dies in dieser Nacht ebenfalls tun.«
Gelächter; jemand schrie: » Hart reiten und schaumig reiten, ja, und abreiben.« Philipp wieherte vor Lachen; Kleopatra lächelte. Alexander verzog keine Miene.
Parmenion trank einen großen Schluck. » Wie auch immer– gerade rechtzeitig zur Feier habe ich Pella erreicht, um mit euch allen zu feiern. Nicht zuletzt auch mit ihm, der eines Tages Philipps Ruhm und Macht erben wird– mit Alexander, denn dir, Junge, kann eine neue und andere Mutter nicht schaden.«
Wieder dröhnte Gelächter auf. Nur Attalos lachte nicht mit. Alexander
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